Invasion der Schaumschläger

Es musste ja so kommen. Die Küchenindustrie ist gerade dabei, den Latte-macchiato-Trend auf einen ganz abscheulichen Zenit zu führen. Aus allen Ecken der Weihnachtsauslagen in Kaufhäusern und Küchenstudios blitzt einen ohnehin schon immer unsinniger werdender Krams entgegen. Leider auch noch mit den Namen Jamie Oliver, Tim Mälzer oder Johann Lafer versehen – wie Olivenölverkostungs-Dip-Schälchen oder handgeschmiedete Kräuter-Hängeböden.

Da denke ich es mir noch im Stillen – als ich aber neulich vor einer Auslage stand und ausschließlich Utensilien zur Herstellung von Milchschaum sah, brach es laut aus mir heraus: Geht’s noch? Es gibt da ganz unterschiedliche Technologien: Töpfe, Milchbesen, Drück-und Zieh-Geräte, ja so was Ähnliches wie Zapfstationen für die aufgeschäumte Milch. Ich glaube nicht, dass was Vernünftiges rauskommt. Fast alle diese Geräte gibt es handbetrieben, mit Stecker, Batterie oder auch Solarzelle. Amazon – inzwischen der bestbestückte Onlineversandhandel für Küchenzubehör – listet für „Milchaufschäumer“, sage und schreibe 65 Produkte.

Schon bei den Namen wird klar, die Schaumschläger sitzen vor allem in den Marketingabteilungen der Hersteller: Egal ob bei Aeroccino (Nespresso), Milk Island (Saeco) oder Latte Whip Magic (Dürkop). Die billigsten sind für 5 Euro zu haben, es handelt sich dabei um kleine Elektro-Quirls, die teuerste Apparatur kostet 160 Euro, nur um Luft in warme Milch zu schlagen.

Immer wenn es um so überflüssiges Zeug geht, muss ich an die Komödie „Der Vater der Braut“ mit Steve Martin denken. Da geht beinahe über einen verschenkten Mixer die Verlobung kaputt. Ich bitte Sie: Bei einem Milchaufschäumer für 160 Euro unter dem Weihnachtsbaum, egal wie weit oben das Gerät auf dem Wunschzettel auch gestanden haben mag: Da hat echt das Stündlein geschlagen. Vor allem, wenn man sich solchen Geräten noch ein wenig nähert.

Ich hatte dazu gerade unfreiwillig Gelegenheit. Bei inzwischen ehemaligen Freunden. Die einen Gastroback-Milchaufschäumer aufgestellt hatten. Man muss sich das Ding als einen defekten, also kaum heizenden Wasserkocher vorstellen. Es ist noch ein Quirl eingebaut und eine Zeitschaltuhr, damit auch garantiert nichts überkocht. Und so funktioniert’s: einfach Milch rein, anschalten und fünf Minuten warten. Und anschließend genauso lang abspülen, weil die Milch doch am Boden ansetzt.

Echt praktisch. Was dabei herauskommt, kann man so beschreiben: Bauschaum. Fest wie Eischnee lässt sich die geschlagene Milch nur mit dem Löffel in das Latte-Glas bekommen. Mein Gießversuch endete in einem großen Klacks, der sich auf einmal aus dem Topf löste und gerade mal zu einem Viertel ins Ziel traf. Das Zeug mit dem Kaffee zu verrühren, entwickelte sich dann richtig zu Arbeit. Hier ein Vorschlag an die Haushaltsgerätehersteller. Warum erfinden sie dafür nicht auch einen Apparat, um den Bauschaum mit dem Espresso zu mixen. Vorläufiger Arbeitstitel: Entschäumer. Kostenpunkt: Warum nicht gleich 200 Euro?

Die Milch, die Milch, die Milch. Entweder sind es diese Aufschäumer für zu Hause oder – meistens im Café – Leute, die noch unbedingt Muster auf den Kaffee zeichnen wollen. „Latte art“ heißt das schon, wenn mit Schablonen Kakaopulver als Teddy-Kopf auf den Schaum gestreut wird. Oder die Milch mit parkinsonschen Bewegungen so in den Tasse geschenkt wird, dass gleich weißbraune Herzen entstehen.

Und wo bleibt der Kaffee? Um noch einmal auf meine Onlinesuche zurückzukommen: Gibt man bei Amazon „Espressokanne“ ein, bekommt man genau acht Treffer. Unglaublich, 65 zu 8, das ist wahrscheinlich auch das durchschnittliche Verhältnis, in dem der Deutsche sich inzwischen den Espresso in die heiße Milch tropft. Und wahrscheinlich bald auf das Weißbierglas zurückgreifen muss, um den Espresso nicht mit der Pipette dosieren zu müssen – oder genügend Bauschaum unterzubringen. Ich weiß jetzt übrigens auch, warum die Milch teurer wird. An den Chinesen liegt’s nicht.

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