Ich schaue wieder mein Küchen-TV


Ach, was für ein Anblick, wenn die Milch Blasen wirft und die Kartoffelscheiben sich schon an der ein oder anderen Stelle braun färben. Bei mir läuft wieder häufiger das Küchenfernsehen: Durch die Ofenscheibe hindurch verfolge ich, wie das erste Gratin dieses Herbstes sich der Vollendung nähert.

In keiner anderen Jahreszeit braucht man so viel Essen für die Seele. Wenn es kalt wird, windig und nass, ist mir auf der Stelle egal, wie viel Kalorien, Fette oder Zucker ich in mich hineinmampfe. Mit warmem Bauch kann man nasse Füße, graue Tage und lange Nächte viel besser ertragen. Vielleicht wächst bei anderen Menschen jetzt der Nudelverbrauch oder der Pralinenkonsum – ich aber brauche Überbackenes: zerflossener und zu goldiger Kruste erstarrter Gruyère – mein Käsekaramell; angebräunte krosse Kartoffelscheiben – Salzkrokant; eingedickte Milch mit einem Hauch von Muskat und Thymian – wie Nougat.

Es hat schon seinen Grund, warum man bei Gratin immer an die Zubereitung mit Kartoffeln denkt. In der Fachsprache heißt es auch nicht etwa plump Kartoffel-Gratin, sondern Gratin Dauphinois. Es ist etwas für Prinzen, und dieser Titel ist eine Verneigung vor dem zarten Schmelz, der entsteht, wenn Butter und Kartoffeln sich vereinigen. Die Franzosen wissen das: Ich denke da auch an den Kartoffelbrei von Joël Robuchon. Kein Koch wurde jemals mit mehr Sternen ausgezeichnet als er. In sein Püree kommt so viel Butter, dass einem das Cholesterin in den Adern stocken will, nämlich ein halbes Pfund auf ein Kilo Kartoffeln. Das Problem ist nur: Wer es einmal probiert hat, will es nie mehr anders essen.

Beim Gratin dagegen ist es mit dem Rezept so eine Sache. Es gibt eigentlich keines, das dem Praxistest in jedem Fall standhält. Soll man die Kartoffelscheiben nach dem Schneiden wässern? Kommt auf die Sorte an. Soll man sie vorkochen? Wenn die Scheiben dick wie Dachschindel geworden sind, auf jeden Fall.

Besser ist es, auf ein paar Fehler hinzuweisen. Wenn man sie vermeidet, sollte ein Gratin eigentlich meistens gelingen. Der erste Fehler passiert häufig beim Umgang mit Salz. Viele Menschen sind da sehr vorsichtig. Aber man kann ein Kartoffelgericht kaum versalzen, beim Gratin gelingt es fast noch weniger. Als Faustregel empfehle ich: doppelt so viel wie üblich. Ja, immer rein damit. Die Gäste werden es Ihnen danken. Das gleiche Prinzip gilt für das Fett. Ohne schmeckt es einfach nicht. Wenn Sie mir nicht glauben, glauben Sie Robuchon.

Aber ich möchte mich gar nicht nur bei den Kartoffeln aufhalten. Für ein Gratin eignen sich noch viel mehr Gemüsearten. Ich habe erst vor ein paar Tagen eines mit Roter Bete gegessen. Ganz vorzüglich. Ein Kürbis- oder ein Auberginen-Gratin oder eines mit Kohlrabi oder mit Pastinaken – nie gehört? Sie sollten das probieren. Solche Gratins sind Hauptgerichte. Sie kommen ohne Beilage aus. Ums Fleisch wäre es auch nur schade. Brot aber ist obligatorisch – um die Sahne aufzutunken.

Aber auch hier gibt es einen Kardinalfehler, den man gerne macht. Nichts ist schlimmer als eine wunderbar goldgelb überbackene Form aus dem Ofen zu ziehen, das Gemüse darunter knackt aber noch wie frisch vom Feld. Man sollte bedenken: Geraspelter Käse oder auch eine leichte Sahneschicht auf dem Gemüse sind im Ofen bei 180 Grad in zwanzig Minuten schön angebräunt. Das Gemüse aber passt sich leider nicht an, etwa die Rote Bete. Deshalb kann man mehr richtig machen, wenn man die Zutaten vorkocht, übrigens auch Kartoffeln. Das Gemüse sollte halbgar sein, das genügt.

Jetzt habe ich selber Hunger bekommen. Höchste Zeit, das Küchen-TV einzuschalten.

Foto: Koocheekoo/CC

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