Gedruckte Appetitmacher

Pünktlich zu Weihnachten noch vier Buchempfehlungen. Keine Rezeptbücher, sondern Texte, die den Gaumen wässrig machen

Wie ein freundlicher Paparazzo bewegt sich Stevan Paul durch das Universum der Gastlichkeit: Ein aus der Zeit gefallener Kellner, so wie man ihn von früher kennt, die Begegnung eines Jungkochs mit einem bärbeißigen Küchenchef, die Nöte eines Restauranttesters, der sich schon seit Jahren an allem satt gegessen hat. Mit genauem Blick beschreibt der Food-Blogger in pointierten Kurzgeschichten ein Milieu, in dem Geschmack und Gastfreundlichkeit oft mehr notwendiges Übel sind als Antrieb und Berufung. Es sind Geschichten aus der Arbeitswelt, die das Schlaraffenland auf die Bühne bringt, die meiste Zeit aber damit beschäftigt ist, hinter den Kulissen die Müllschlucker zu bedienen. Vergeht einem beim Lesen der
Appetit? Ganz im Gegenteil.

Stevan Paul: Schlaraffenland,  Mairisch 2012, 192 S., 18,90 €

Vielleicht gab es mal eine Zeit, in der Menschen noch eine Vorstellung hatten, wie Manna schmeckt. Heute gilt es nur noch als sagenhafte Himmelspeise. Dem Kaviar droht das gleiche Schicksal. Einst ein russisches Arme-Leute-Essen haben die Preise für den Störrogen Höhen erreicht, als handele es sich um ein Filet vom goldenen Kalb. Denn dem Urzeit-Fisch sind in der heutigen Welt nicht nur die Lebensräume ausgegangen, er wächst und gedeiht auch zu langsam für das temporeiche Wirtschaftsmodell der Neuzeit, wie Christoph Moeskes auf seiner Reise ans Kaspische Meer he­rausgefunden hat. Dort hat sich die Kaviar-Wirtschaft dank vier Jahrzehnte Sozialismus noch am längsten gehalten, während sie sich etwa in Nordamerika in kürzester Zeit der eigenen Ressource beraubte. Auch darum ist dieses Buch alles andere als ein nostalgischer Nachruf auf eine Luxus-Zutat. Sondern ein Systemvergleich mit salzigem Nachgeschmack.

Christoph Moeskes: Kaviar: Geschichten, Tre Torri 2012, 160 S., 24,90 €

Sie ist unübersehbar, die rot gestrichene Fassade des Kindom of Pork am Busbahnhof von Tel Aviv. Was, eine Schweinemetzgerei in Israel? Aber natürlich! Schwein wird im Heiligen Land mehr gegessen als man denkt. Hier wie überall ist die Küche ein Spiegelbild ihrer Gesellschaft, selten ist das aber so wenig anerkannt wie in Israel – denn klar, McDonald’s verkauft hier nur koschere Hamburger. Was aber sonst auf den Tisch kommt, das erzählt nicht nur Bände über die Einwanderergesellschaft, sondern auch über die Assimilation des jüdischen Staates in den arabischen Raum. Hummus, das köstliche Kichererbsenmus, wird in Haifa genauso gerne gegessen wie in Beirut oder Ramallah. Woher es stammt, wissen nur noch wenige. Katrin Richter und Martin Krauß haben eine kurze, aber farbenprächtige Geschichte des Staates Israels anhand seiner Küche verfasst. Man kann ihnen glauben: Es ist gut, dass nichts geworden ist aus dem Wunsch von Staatsgründer David Ben Gurion. Er hatte immer von einer eigenständigen israelischen Küche geträumt.

Martin Krauß, Katrin Richter: Israelisch kochen: Gerichte und ihre Geschichten, Die Werkstatt 2012, 168 S., 16,90 €

Wenn Menschen für sich kochen, greifen sie gerne zum Ei. Das ist die eine Erkenntnis, die man bei der Lektüre von Friederike Schilbachs Buch hat. Es beschäftigt sich mit einer der großen Gretchenfrage der Kulinarik. Denn als Genussmenschen geben sich viele. In Gesellschaft gehört das einfach zum guten Ton. Aber kann man auch wertschätzen, was vor einem auf dem Teller liegt, wenn man allein ist? Das Dinner for One ist nicht erst heute die verbreitetste Art zu speisen, trotzdem outen sich die wenigsten Menschen freiwillig als leidenschaftliche Alleinesser. Es hat den Ruch des Asozialen. Das tun dafür Autoren wie William Boyd, Haruki Murakami oder Harry Rowohlt, Menschen des Wortes, die beschreiben, wie angenehm es sein kann, Geschmack nicht sofort in Konversation fassen zu müssen. Denn Gesellschaft kann einem den Genuss auch manchmal recht vermiesen. Am elegantesten hat das schon M.F.K. Fisher vor 70 Jahren auf den Punkt gebracht: Manchmal ist „behagliche Einsamkeit besser als Geistesverwandtschaft auf gut Glück“.

Friederike Schilbach (Hg.): Dinner for one, Bloomsbury Taschenbuch, 192 S., 9,99 €

Foto (M): Christop | CC

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