Es gibt einige Gründe, sich in dieser Zeit Mehlspeisen zu widmen. Erstens, weil Fastenzeit ist und ich da noch lieber auf Fleisch verzichte. Zweitens, weil das Jahr noch zu viel jung ist, um sich schon mit Frühjahrsgemüse eindecken zu können. Und drittens, weil es wieder so was von Winter geworden ist, dass etwas Trost nötig ist. Eine große Portion Trost sogar, die kein Stück Fleisch bieten kann. Selbst die Vorstellung, was da auf der tief verschneiten Stadt liegt, ist eine große Schicht Zitroneneis, kann ich kaum lächeln. Vorige Woche habe ich schon die ersten kleinen Schlangen an den Eisdielen beobachtet. So warm war es.

kaiserschmarrn
Schlägt das Eiweis Spitzen, wird der Schmarrn richtig fürstlich

Und da gibt es nichts Besseres, als eben eine Mehlspeise. Die hilft mir über jede Winterdepression hinweg. Süß sollte sie sein und noch warm. Schon beim ersten Löffel beginne ich mich in einen Menschen mit dem Gemüt eines Buddhas zu verwandeln. Das funktioniert mit Pudding, mit Grießbrei oder Milchreis, vor allem aber mit der fürstlichsten aller Mehlspeisen, dem Kaiserschmarrn.

Er gehört zu den Glanzstücken der österreichischen Küche, und es ranken sich einige Legenden um seinen Namen. Nach einer Version soll ein Hofkoch seiner Majestät Franz Joseph I. die Nachspeise eigens für dessen Gemahlin kreiert haben. Bei der sehr auf ihre Linie bedachten Kaisern Elisabeth kam die Komposition aus Pfannkuchenteig und Zwetschkenröster aber überhaupt nicht an. Ihr Gatte rettete die peinliche Situation: „Na geb‘ er mir halt den Schmarren her, den unser Leopold da wieder z’sammenkocht hat“, soll der Kaiser gesagt haben und die Nachspeise für sich entdeckt haben.

Keine der anderen Legenden um den Kaiserschmarren ist so illustrativ wie diese, alle aber beschreiben autokratische Volksnähe, egal ob der Monarch einer Bäuerin begegnet, die ihm zerrupfte Eierkuchen vorsetzt, oder auf einem Jagdausflug bei einem Senner einkehrt. Man kann die Zutaten für das Gericht auch nur armselig nennen: Mehl, Milch, Eier und bisschen Zucker. Aber sie schmecken jemand, der feinen Gaumenkitzel kennt.

Ich habe die verschiedensten Rezeptversionen kennengelernt, die unterschiedlicher kaum sein können. In den 80er Jahren habe ich in Österreich Kaiserschmarren serviert bekommen, für den Palatschinken zerrissen worden war, der vorher fast so dünn wie Crêpes ausgebacken wurde. Ich habe mir später erklären lassen, dass man den Eierkuchenteig auch in einem Schwung in die Pfanne gießen könne, anschließend fuhrwerke man darin mit dem Kochlöffel herum wie für Rühreier. Klingt einfach, nur: Das klumpige Etwas, das dabei herauskommt, ist tatsächlich nur ein Schmarrn – und überhaupt nicht kaiserlich.

Ich finde, die dritte Variante kommt der Legende um das Gericht am nächsten. Danach bereitet man den Kaiserschmarren wie ein Soufflé vor und lässt es absichtlich verunglücken. Ich verwende dafür mein übliches Pfannkuchenrezept, trenne aber die Eier in Dotter und Eiweiß. Mehl, Zucker und die angewärmte Milch werden mit den den Eigelben angerührt, das Eiweiß wird mit einer Prise Salz steif geschlagen und am Ende vorsichtig unter den Teig gehoben. Hier funktioniert alles ganz ähnlich wie beim Soufflé.

Den Teig füllt man nun fingerdick in eine Pfanne, lässt ihn anbraten und wendet ihn dann. Wenn man nun einen Deckel auflegt, geht der Pfannkuchen noch einmal richtig in die Luft. Nach drei bis vier Minuten nimmt man den Deckel ab, zerrupft den Pfannkuchen sogleich und streut noch etwas Puderzucker in die Pfanne, um den Schmarrn zu karamellisieren. Wenn die Kaiserin Sisi diese luftig-leichten Leckerbissen mit dünnen süßen Verkrustungungen nie probiert haben sollte, dann hat sie wirklich was verpasst.

Alternativ kann man den Teig auch einfach in eine gebutterte Ofenform gießen und bei 200 Grad in den Ofen stellen. Das Ganze wird wie ein Soufflé aufgehen. Nach etwa zwölf Minuten, wenn die Oberseite gebräunt ist, nimmt man die Form aus dem Ofen und fängt man ebenfalls mit dem Zerreißen an. Anschließend wird der Schmarrn wieder in einer vorgeheizten Pfanne mit Puderzucker karamellisiert.

Kaiserschmarrn ist bei mir ein Hauptgericht. Immer. Es schmeckt mir viel zu gut, als dass ich darauf bis zur Nachspeise warten wollte. Dazu gibt es obligatorisch Zwetschgenröster, ein mit Zimt und Nelken aromatisiertes Pflaumenkompott, das ich im Sommer eingemacht habe. In vielen Rezepten tauchen auch in Rum eingeweichte Rosinen auf, die in der Pfanne auf den noch flüssigen Teig gestreut werden. Darauf kann ich verzichten. Zwei, drei Teller von dem köstlichen Schmarrn, dann bin ich so richtig genudelt. Dann darf der Winter von mir aus ruhig noch ein paar Tage länger dauern …

Foto: sparktography | CC

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