Für diesen Strauß Blätter sollte man erstmal eine Vase besorgen. Das denke ich immer, wenn ich nach Mangold greife. Ich könnte diese fleischigen, weißen – manchmal auch bunten – Stiele mit dem saftigen, dunklen Grün noch länger ansehen. Auf den Stängeln sitzen lange Adern wie auf Sellerie oder Rhabarber, die Blätter  haben eine noch intensivere Farbe als Spinat, und sie kräuseln sich zuweilen so, wie man es von Kohl kennt.

Oh, diese Stiele

Mangold wirkt wie ein Zwitter aus all diesen Gemüsen, daher ist es so faszinierend, ihn anzusehen. Ich kann verstehen, warum er mit seinem ausladenden Blattwerk als Zierpflanze in vielen Blumenbeeten steht. Doch sind die Stiele so frisch und knackig, wäre es auch schade, sie nicht sofort mit etwas Knoblauch in die Pfanne zu werfen. Für einen Koch gibt es da eigentlich nichts zu entscheiden. Ich halte die Betrachtung kurz.

Es ist kaum zu glauben, wie lange das Gemüse nur Ersatzspieler in vielen Küche gewesen ist, auch in meiner. Gab es keinen Spinat, dann musste eben Mangold reichen. Zu dem Preis, dass man noch diese lästigen Stiele aus den Blättern schneiden musste. Was für ein Aufwand! Und wie viel von den Stängeln bei der Vorbereitung übrig blieb und in den Kompost wanderte. Das toppen nur noch Artischocken. Was für eine Verschwendung! Aber nur so wurde aus einem Strauß Mangold beim Kochen ein kleiner dunkler Blätterklumpen, der so aussah und auch ungefähr so schmeckte wie Spinat: bitter-metallisch und leicht pelzig im Mund.

Dreht man die Perspektive um und versucht, Spinat als Ersatz für den Mangold zu behandeln, dann erst erkennt man, wie wenig kompatibel die beiden Gemüse sind. Die Blätter sind mir inzwischen fast einerlei, ich verwende vom Mangold fast nur noch die Stiele. Man muss sie nicht schälen, nur in Streifen schneiden und für ein paar Minuten blanchieren oder in der Pfanne dünsten. Dann entwickeln sie ein erdig-nussiges und sehr warmes Aroma. Mit Spinat hat das kaum noch etwas zu tun.

Mangold ist eben eine Rübenpflanze, Rote Bete und Runkelrübe sind nahe Verwandte. Eigentlich handelt es sich also um Rübstiel, vor allem, wenn man die Stangen so zubereitet wie ich. Ich sehe zur Zeit sehr viel Mangold in den Gemüseläden. Er kommt meist aus Süditalien, wo bereits vor Wochen die Ernte begonnen hat. Hierzulande beginnt die Saison erst im Mai, wenn auch das ganze übrige Frühjahrs-Stielgemüse auf die Märkte kommt: Rhabarber etwa oder Spargel. Mangold enthält übrigens genau wie Rabarber viel Oxalsäure, wer empfindliche Nieren hat, sollte also etwa aufpassen.

Aber Schluss mit den botanischen Vergleichen. Mangold ist Mangold. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich zu Nüssen greife, wenn ich ihn zubereite. Pinienkerne, Mandelstifte oder gehackte Walnüsse unterstreichen das Aroma des Gemüses. Auch gerösteter Sesam passt ausgezeichnet. Nüsse, gehackter Mangold und ein Klecks Sauerrahm unter frische Nudeln gemischt – das ist ein ganz einfaches 15-Minuten-Gericht in meiner Küche. Ich werfe die gehackten Stiele drei Minuten, bevor die Nudeln fertig sind, einfach mit ins Kochwasser. Am Ende noch ein bisschen Parmesan über den Teller gehobelt, dann wird die Sache zum Gedicht. Auch als Lasagnefüllung habe ich Mangold entdeckt. Und mit Ziegenquark vermischt macht er sich auch hervorragend in einer Mangold-Quiche. Da kann mir der Spinat inzwischen gestohlen bleiben.

Ja, es ist Zeit, Abbitte zu leisten für die jahrelange Geringschätzung. Und für die Verfehlungen, aus diesem Gemüse etwas zu machen, was es nicht ist. Und das ist auch der eigentliche Grund, warum ich Mangold so bald nicht in die Vase stecken werde.

Foto: godutchbaby | CC

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