Um die Verehrung dieses Mannes in Südafrika und die noch zu Lebzeiten einsetzende Trauer um Nelson Mandela zu begreifen, gibt es für mich nichts Besseres als ein Buch, das mir vor einiger Zeit in die Hände gefallen ist. Es heißt Hunger for Freedom, und die Autorin Anna Trapido versteht es als gastro-politische Biografie dieses großen Freiheitskämpfers.

coverNicht, dass dieser Mann früher ein übermäßiger Esser war. Das hätte man ihm angesehen. Und Trapido versammelt in diesem Buch auch nicht etwa die Lieblingsgerichte Mandelas. Dann wäre ihr Buch ziemlich geschmacklos. Es ist eine große Fleißarbeit, eine in Buchform gegossene Oral History. Zwar hat die Autorin dafür auch Mandela selbst, Familie und Weggefährten besucht, vor allem aber mit Kinderfreunden, Nachbarn und Bekannten, Wärtern und Mitgefangenen, Fahrern und Bediensteten des späteren südafrikanischen Präsidenten gesprochen.

Und sie macht dabei auch nicht den Fehler, der Frage nach dem „Du bist, was du isst“ so nachzugehen, als wolle sie das Wesen eines Politikers und Staatsmannes beantworten. Es ist vielmehr ein Vehikel, um anhand eines Menschen, über den so viele Zeugnisse existieren, die Befreiung aus der Apartheid und den Aufstieg der schwarzen Bevölkerung zu erzählen – und davon, wie einschneidend das für das einfache Leben war.

Hähnchencurry nach der Freilassung

Ich kenne die Geschichte Südafrikas nicht ausreichend genug, darum haben mich einige Schilderungen Trapidos etwas überfordert. Trotzdem vermittelt sie ein eindringliches Bild, wie die „Rassentrennung“ in den fünfziger Jahren bis in den letzten Winkel des Alltagslebens eingesickert war. So hatten schwarze Bürgerrechtler nur kleine Schnapsgläser in der Hand, um schnell austrinken zu können und bei einer Razzia nicht wegen illegalen Alkoholkonsums festgenommen zu werden. Und die Hochzeit Winnie und Nelson Mandelas 1958 war ziemlich einsam. Viele Freunde saßen im Gefängnis oder waren im Exil. Verblüffend ist auch, zu lesen, welche Aufregung und Hektik im Haus von Bischof Tutu ausbrach, als Mandela nach 27 Jahren Haft im Februar 1990 ein paar Tage früher freikam als erwartet und kein Willkommensessen vorbereitet war. Es gab dann Hähnchencurry und Rum-Rosinen-Eis zum Nachtisch. Auch welthistorische Ereignisse haben immer ganz banale Seiten.

Natürlich schildert dieses Buch auch einen sehr volksnahen und geselligen Mann, der immer viele Gäste um sich versammelte und der wahrscheinlich auch ein Menschenfänger war. Und es gibt eine Ahnung von der Aura, die Mandela zum Ende seiner Amtszeit entwickelte, und welch liebevolle, väterliche Autorität die Südafrikaner in ihm akzeptierten.

Essen ist nicht alles, und diese kulinarische Biografie wird wohl ein seltenes Experiment der kulinarischen Literatur bleiben. Vielleicht auch, weil nicht nur, vor allem aber in den Erzählungen und Briefen aus der Haft deutlich wird, wie wichtig es nicht nur fürs Überleben, sondern auch fürs Leben und Menschsein an sich ist, eine Mahlzeit zuzubereiten und gemeinsam genießen zu können. Nelson Mandela gewöhnte es sich an, Mitgefangene zu Geburtstagen mit einer aus Ersatzzutaten zusammengebrauten heißen Schokolade zu bewirten. Jeder einzelne Schluck muss ein kleines Fest der Freiheit gewesen sein.

Vor diesem Hintergrund habe ich auch die folgende Anekdote von Tokyo Sexwale gelesen, einem langjährigen Weggefährten und Mitgefangenen auf Robben Island. Er erzählt, wenn Mandela auch noch als Präsident seine Gäste zum Essen rief, habe er das immer mit den Worten getan: „Let’s go to battle.“ Doch, das sind Worte auch eines ganz großen Essers.

Foto: Darren Smith | CC

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