Wir müssen über das Wiener Schnitzel reden. Was macht es aus, wann ist es gut, was kann man falsch machen?

Gibt es das überhaupt? Ein Wiener Schnitzel, das so richtig danebengegangen ist? Mir ist es nicht häufig begegnet. Und selbst wenn: Selten haben die Leute mir dann beigepflichtet. Man stelle sich eine Kantinensituation vor. Selbst ein in verbrauchtem Öl ausgebackenes Exemplar, bei dem sich die Panade mit Fett vollgesogen hat, kommt einem irgendwie genießbarer vor als eine graue Frikadelle oder ein trocken gebratenes Fischfilet. Und ich stelle immer wieder fest: Selbst den traurigsten Massenverköstigungsanstalten, die bei ehrlichem Urteil eigentlich nur Fraß vorsetzen, gelingt es, mit regelmäßigen Schnitzeltagen die Leute bei Laune zu halten.

Über die altbekannte Streitfrage hinaus, ob das Wiener Schnitzel aus Kalbfleisch sein muss oder – nach „Wiener Art“ – auch vom Schwein stammen darf: Wir müssen da generell an der Kritikfertigkeit arbeiten. Denn das Wiener Schnitzel hat mehr verdient. Dieses Gericht ist gustatorisch eine vielfältige Angelegenheit. Da ist ein dünn geschnittenes Stück Fleisch, das den Zähnen einen leichten elastischen Widerstand entgegensetzt. Überzogen von einer krustigen Haut aus Semmelbröseln, voll mit süßlichen Karamellaromen. Allein das ist ein feiner Kontrast.

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In Öl schwimmend ausgebacken, wird auch eine dünne Panade krustig

Traditionell gibt es dazu Kartoffel-Gurkensalat, zuweilen auch Krautsalat. Alles meist frisch-säuerlich schmeckende Beilagen, was wiederum ein Kontrapunkt zu den warmen, süßlichen Röstaromen auf der Fleischseite ist. Sitzt noch ein Tupfer Preiselbeermarmelade auf dem Teller, schickt dieses Gericht, das farblich eher eintönig ist, ein ganzes Spektrum von verschiedenen Temperaturen, Aromen und Texturen auf die Zunge und zum Gaumen. Ziemlich komplex eigentlich.

Doch in der Praxis sieht es anders aus: Für mich war Wiener Schnitzel schon als Kind ein Festmahl. Aber ich erinnere mich auch, dass ich mich beim Essen oft fragte, ob es nicht möglich wäre, ein Gericht zu kreieren, das nur aus dieser köstlichen Kruste besteht. Tatsächlich habe ich damals versucht, ein Stück Balsa-Holz aus dem Hobbykeller in Ei und Paniermehl zu tauchen, um das zu bewerkstelligen. Es gab sogar eine Phase, in der ich die ganze Panade vom Fleisch kratzte, um sie auf einmal zu essen, und anschließend den Kartoffelsalat. Die zurückgebliebenen grauen Fleischfladen verschmähte ich mit der Ausrede, ich sei satt. Zurechtweisungen machten mir nichts aus. Und Kinder, die meine Vorliebe für Kruste nicht teilten und sie mir abgaben, zählte ich sofort zu meinen engsten Freunden.

Heute stelle ich fest: In der Schnitzelküche ist die Krustenfrage nach wie vor das Nonplusultra. Lese ich einschlägige Foren, wird dort über kaum etwas anderes so intensiv diskutiert. Inzwischen konnten sogar wissenschaftliche Studien belegen, dass ein Wiener Schnitzel, wird es in Öl schwimmend ausgebacken, nicht nur weniger Fett aufnimmt und damit verträglicher ist. Sondern dass es im Mund auch noch stärker knuspert. Auch die Dicke der Kruste ist ein Thema. Kein Problem: Jedes Wiener Schnitzel lässt sich notfalls mehrfach ummanteln. Man muss es nur immer wieder aufs Neue durch Ei und Paniermehl ziehen.

Doch soll das die ganze Kunst sein? Was ist mit dem Fleisch, wenn die Krustenfrage so dominant wird? Warum verlangen gewiefte Wiener-Schnitzel-Esser auch noch bevorzugt nach feinem Kalbfleisch aus der Keule, wenn selbiges unter der dicken Kruste meist nur als dünnes, graues Etwas hervorscheint? Da ist die Variante Balsa-Holz doch ehrlicher! Was würden Sie von einem Schnitzel halten, das fein und fest umhüllt ist und auch noch saftiges, rosa Fleisch freigibt? Klingt gut, nicht? Aber ich verspreche Ihnen, das finden Sie selten.

Foto: Lars Plougman / CC

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