Etwas Salz und Pfeffer, Öl, ein Spritzer Essig: Das einfachste Dressing, mehr kommt nicht an die grünen Blätter. Sie schmecken nussig, sind zart und knacken im Mund. Und das nach dreimal Waschen. Es gibt keinen Vergleich für diesen Genuss, absolut keinen. Vielleicht hätte ich den Essig weglassen sollen.

Aber warum soll ich schwärmen? Es gibt diesen Salat nicht zu kaufen, obwohl ich das wirklich jedem wünschen würde. Aber ich fürchte, über den Umweg an Großhändler und Laden vorbei würde die ganze Delikatesse ohnehin verloren gehen. Außerdem: Mehr als vier Köpfe gibt es nicht davon, das reicht gerade mal für einige kleine Abendessen im kleinen Kreis. Es tut mir deswegen wirklich leid, die meisten von Ihnen werden dieses Grün nie kosten. Aber ich verrate Ihnen trotzdem den Namen, nur für den unwahrscheinlichen Fall: Pankower Eichblatt. Er stammt aus meinem Garten.

Nacktschnecke by nomorecore/ flickr.com
Schnecken haben großen Appetit. Ich habe Angst, der färbt ab

Und den Genuss stört auch nicht, dass die Blätter hier und da schon einige große Löcher haben, da und dort auch leicht verfärbt sind. Es sind die Spuren einer schleimigen Fressattacke, des geballten Heißhungers von vier Nacktschnecken. Ich schwor mir, als ich das sah: Keine Schnecke ist mehr schneller. Das war das letzte Mal.

Es ist mir trotzdem schwergefallen, den fußballgroßen Kopf abzuschneiden. Was habe ich nicht alles dafür investiert: Zeit und Geld. Aus Körnchen habe ich unter Glasglocken Sämlinge gezogen, morgens und abends bekamen die ersten Sprossen pipettenweise Wasser getropft, damit die Dinger nicht knicken. Und gleichzeitig zimmerte ich hüfthohe Kisten, zog mir Spreißel und malträtierte meinen Rücken, nachdem ich sie mit Folie ausgekleidet und Schubkarren um Schubkarren mit Kompost und Erde hineingeschaufelt hatte.

Alles für die Zeit, wenn Salat, Zucchini, Kohlrabi und Gurken aus der Kinderstube kommen. Doch die Schnecken schafften es auch in die Hochbeete. Also habe ich immer nach dem Rechten gesehen und mir das beste Bier vom Munde abgespart, damit die Weichtiere in den Fallen zwischen den Pflänzchen ertrinken. Dass man regelmäßig gießen muss, versteht sich von selbst.

Glauben Sie mir, man kann ein Verhältnis zu ein paar grünen Blättern aufbauen, die man über Wochen gehegt, gepflegt, manchmal fast gestreichelt und gegen allerhand Nahrungskonkurrenz verteidigt hat. Ich habe heute kein Mitleid mehr mit Schnecken. Schon allein, weil ich beobachtet habe, mit welcher Gier sie sich auf tote Artgenossen schmeißen können, die von meiner Gartenschere zerteilt worden sind.

Aber als ich meinen ersten Salat erntete, da dachte ich kurzzeitig doch: Es ist Mord. Und dass ich hier eine Existenz zerstöre. Und an die Lücke im Grün, die sich nun auftut, das graubraune Fleckchen Erde, das nun nichts mehr zu nähren hat. Von schlechtem Gewissen zu sprechen wäre zu viel gesagt. Aber wenn man einen Kopf Salat, gefangen in sentimentalen Gedanken, in die Küche trägt, dann bekommen die appetitlichen Gedanken, die sich bei mir in kürzester Zeit von selbst einschalten, eine andere Qualität. Es ist die letzte Ehre, die man einem Lebensmittel erweisen kann, das man selbst abgeschnitten hat: Man steckt es sich mit ein bisschen mehr Achtung in den Mund.

Das geht so weit, dass man seine bisherigen Geschmacksbilder infrage stellt und das, was man bisher als Salatsoße an labberiges, eingeschweißtes Gemüse aus dem Supermarkt getan hat, auf einmal für überwürzt hält. Schmeckt der Salat anders oder schmecke ich anders, wenn ich ihn mit Gärtnerhänden esse, an einem Gartentisch, inmitten des ganzen Gemüses. Ich hoffe, beides ist richtig. Ich habe Angst, sonst wandelt sich mein Appetit am Ende noch zu dem einer Schnecke.

Foto: nomorecore | CC

Ein Gedanke zu “Wie ich meinen ersten Salat tötete

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