Ein Tischbock, daran zwei Bänke geschraubt, das ist das Herz der französischen Esskultur. Wenn ich auf einer der vielen routes nationalesin dem Land unterwegs bin, wundert mich immer die Zahl der Rastplätze entlang dieser Landstraßen. Trotzdem: Ist zwölf Uhr vorbei, sollte man sich beeilen, um noch einen der zahlreichen Picknicktische unter reichlich Schatten spendenden Platanen oder Kastanien zu ergattern. Sonst hockt man in der Wiese und muss von dort aus mit ansehen, wie aus großen Kühltaschen Käse und Wurst ausgepackt werden, Schüsselchen mit Salaten, Tomaten und Honigmelonen, vielleicht eine kleine Flasche Rotwein, auf jeden Fall aber Wasser und eine Thermoskanne Kaffee. Es versteht sich, dass darunter eine Tischdecke ausgebreitet worden ist.

Das Essen im Freien – in Deutschland hat sich darum in den vergangenen Jahren eine ausgefeilte Grillkultur entwickelt, im eigenen Garten, mit immer ausgereifterer Technik. Man muss dafür nur die entsprechenden, immer größer werdenden Abteilungen in unseren Bauhäusern besuchen. Wenn man dann noch das deutsche Rastplatzgeschehen ansieht, kann man sagen: In anderen Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder Großbritannien, vielleicht auch Italien und Spanien, heißt Freiluftkulinarik vor allem Picknick.

Picknick auf Wiese
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Ein Picknick kann man nicht im eigenen Garten machen, hinter Zäunen oder Koniferenhecken, das finde ich daran so sympathisch. Es ist eine Sache für die Öffentlichkeit, für den Park oder die freie Natur. Briten und Franzosen streiten sich, wer das Wort erfunden und als Erster damit angefangen hat. Dabei hat das kulinarische Open Air viel ältere Wurzeln, schon im Neuen Testament ist ein Picknick, die Brotvermehrung, überliefert.

Trotzdem spielt es eine Rolle bei der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts. Die Geschlechter trennten sich normalerweise nach dem Essen, beim Picknick war das nicht möglich. Es war in einer Zeit, in der am Tisch unzählige Rituale galten, die erste sittenlose Mahlzeit. Und man durfte dabei sogar im Gras liegen und die Finger benutzen.

Mein liebstes Picknick besteht aus einer Salami, einer Stange Baguette und Kaffee aus der Thermoskanne. Das ist die Basisvariante. Ich brauche dafür keinen Tisch, sondern nur weiches Gras auf einer schattigen Lichtung am Wegesrand. Nach einigen Stunden Wanderungist solch eine Mahlzeit köstlicher als jedes Menü in einem Sterne-Restaurant. Die Hauptzutat gibt es gratis und im Überfluss: frische Luft, an dem einen Platz geschwängert von Pinienduft, an dem anderen voll von frischem Heu und Wiesenblumen oder moosig-feucht an einem Bach im Wald.

Wenn ich Urlaub mache, wie gerade wieder im Périgord, gehe ich fast täglich wandern. Das Laufen tut gut, am meisten freue ich mich aber auf den Appetit, den ich dabei nach ein paar Stunden entwickelt habe und der das einfachste Essen so ausgemacht schmackhaft macht. Ich bin nach diesem Hunger süchtig. Manchmal stelle ich mich frühmorgens in die Küche, um noch eine Schale Taboulé oder Linsensalat mit in den Rucksack zu packen. Reste vom letzten Abendessen sind auch nicht zu verachten. Vielleicht noch eine halbe Flasche Rotwein. Perfekt ist, wenn ich beim Laufen noch etwas zum Dessert auftreibe: Trauben von einem Weinfeld, einen Birnbaum mit reifen Früchten. Oder wenn die Dornen am Wegesrand etwas hergeben. Und wissen Sie, was: Hier in Frankreich haben die Brombeeren gerade Hochzeit.

Foto: Siegmund Führinger | CC

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