Ausgelaugt

So viel Poesie hätte man den Brüsseler Beamten gar nicht zugetraut: „In der Form ähnelt die Breze zum Beten verschränkten Armen.“ So steht das in der EU-Verordnung, die das bayrische Brotzeitgebäck künftig unter Herkunftsschutz stellt. Was sich bayerische Brezel, Breze, Brezn oder – mit sogenanntem Deppen-Apostroph – Brez’n nennt, muss auch aus dem Freistaat kommen.

Und? Können sich die Bayern nun was darauf einbilden? Man muss wissen, die Laugenschleife ist im süddeutschen Raum kulturell tief verankert. Es gibt die Brezn und die Brezel. Das ist zuallererst eine mundartliche Unterscheidung. In Bayern heißt es Breze oder Brezn, genauso wie es immer Semmel heißt, wenn man Brötchen meint. Brezel, das sagt man aus Sicht der Bayern nur da, wo die Semmel das Weggle ist und es auch Spätzle gibt.

Sonst aber ist das Laugengebäck mindestens so baden-württembergisch wie bayerisch. Der Legende nach soll sich damit im 15. Jahrhundert ein Bäckermeister aus Bad Urach bei Nürtingen vor dem Strang gerettet haben. Er schaffte es, was der Fürst nie für möglich gehalten hatte, nämlich ein Gebäck herzustellen, „durch das dreimal die Sonne schien“. Vor dem Backen fielen die Teiglinge in einen Eimer heißer Lauge. Er backte die Brezeln trotzdem – und wurde begnadigt. So wenigstens erzählt man es sich im Schwäbischen.

400 Jahre später, so will es der andere Mythos, passierte dem Münchner Bäcker Anton Nepomuk Pfannenbrenner ein Versehen. Er tauchte die Brezenteiglinge nicht in Zuckerwasser, sondern in die Putzlauge für die Backbleche. Weil Pfannenbrenner beim Hoflieferanten angestellt war, wurde der Königshof auf das neue Backwerk aufmerksam.

Natürlich kennen wir die Breze schon länger. Sie gehört zu den ältesten Zunftsymbolen des Bäckerhandwerks – und das über den süddeutschen Raum hinaus. Über Jahrhunderte war sie eine beliebte Fastenspeise und wurde meist nur in der Zeit von Aschermittwoch bis Karfreitag gebacken. Die Volkskundler gehen davon aus, dass sie eine Weiterentwicklung des Ringbrotes ist, mit dem die ersten Christen das Abendmahl begingen. Der Name geht auf den lateinischen Begriff brachium (arm) zurück und erinnert an eine alte Gebetshaltung, bei der die Arme über der Brust verkreuzt werden.

Liest man Bäckereihandbücher durch, dann findet sich heute ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal für die bayerische und die schwäbische Breze – ganz passend übrigens für die Klischees. Da soll der Bäcker auf der einen Seite einen Schnitt am Brezelbogen machen, damit der Teig sich beim Backen feinsäuberlich nach außen wölbt. Auf der anderen Seite ist er dagegen nur verlangt, wenn die Breze an ihrer dicksten Stelle in einer breiten Linie aufreißt. Sie vermuten richtig: Das letztere ist das bayerische Rezept.

Lassen wir es bei diesen brezologischen Ausführungen bewenden. Es finden sich keine Hinweise, dass die Bayern irgendein Vorrecht auf das Laugengebäck hätten. Nur, dass sie besonders stolz darauf sind. Ist die Bezeichnung „bayerische Breze“ deshalb aber ein Qualitätssiegel? Schwerlich.

Ob Breze oder Brezel, frisch schmeckt sie am besten. Ich finde sogar, dass für die Begleiterin der Weißwurst eigentlich auch die Regel gelten sollte, dass sie das Zwölf-Uhr-Läuten nicht mehr erleben sollte. Eine „bayerische Breze“ kann außerhalb von Bayern deshalb immer nur irgendein aufgebackener Tiefkühl-Teigling sein. Und in Bayern wird kein Geschäft mit dem Zusatz noch darauf hinweisen wollen, dass es auch unbayerische Brezen geben könnte. Ich kaufe weiter beim Bäcker meines Vertrauens, Brezen, wenn er hat, aber auch Brezeln, wenn er sie denn so nennen will.

Foto:  thiswonthurt | CC

Da ist Musik drin

Bier wird seit einiger Zeit zu einem Getränk, das in der Achtung aufholt. Und für das sich immer mehr Menschen mit feinem Gaumen interessieren. Neben den großen Marken wie Becks & Co existiert inzwischen eine lebendige Szene von Biermachern, die von kleinen Privatbrauereien mit langer Tradition bis jungen Nerds reicht, die in städtischen Hinterhöfen Craftbeer herstellen. Die taz hat mich gebeten, in der neuen Wochenend-Ausgabe einige Produkte vorzustellen. Hier der erste Teil der Serie, mit großem Dank an Andreas Bogk von der Bogk-Brauerei und Hopfen und Malz in Berlin, die mich bei meinen ersten Erkundungen begleitet haben.

cambafireWas haben Iron Maiden und Miles Davies gemeinsam? Sie machen sich gut auf Kapselflaschen. Bier und Musik, das ist eine klassische Paarung: je härter die Beats, desto größer der Durst. Immer wieder legen Brauereien deshalb Spezialbiere auf. 2010 erschien zum 40. Jahrestag von Miles Davies Album „Bitches Brew“, der ersten erfolgreichen Jazzrock-Platte der Musikgeschichte, ein gleichnamiges Jubiläumsbier. Auch für die neue Tournee von Iron Maiden wird Bier gebraut, ein Pale Ale namens „Trooper“. Es kommt aus der englischen Robinson-Brauerei.

In Deutschland sind die Namen noch nicht so klingend, die Produkte aber umso bemerkenswerter. Wie das „Fire Beer“ von Camba Bavaria. Die Brauerei im bayerischen Truchtlaching arbeitet dafür mit Stefan Dettl, dem Frontmann von LaBrassBanda, zusammen. Der Grund ist recht einfach: Er wohnt praktisch gegenüber.

So unkonventionell wie der Bayerische Gypsy Brass, wie Dettl die eigene Musik nennt, kommt auch das Fire Beer daher. Es ist ein süffiges obergäriges Starkbier, wobei man ihm den Alkoholgehalt von 8 Prozent kaum anmerkt, dafür aber die Herkunft aus einer ambitionierten Bierwerkstatt mit Experimentierfreude. Camba Bavaria wurde erst Mitte 2008 gegründet und gehört damit zu den jüngsten Brauereien Bayerns. Hier wird nicht so sehr auf das typische „Helle“ Wert gelegt, Braumeister Markus Lohner versucht sich an Variationen aus aller Welt. Was sich in einer überraschend großen Produktpalette äußert und Camba schon einige Medaillen eingebracht hat, etwa für den Doppelbock und das Export.

Haselnussfarben und nur mäßig schäumend entwickelt das Fire Beer zu Beginn starke, etwas säuerliche Fruchtnoten, die an Maracuja und Grapefruit erinnern, dann kommen leichte Raucharomen ins Spiel, der Abgang ist leicht und süß, ein Aftertaste aber kaum festzustellen. Wird das Fire Beer zum Essen getrunken, im Testfall waren das Merguez, pikante französische Lammbratwürste, entwickelt das Starkbier etwas mehr Körper und Lakritznoten, aber auch hier ist das Feuer nur von kurzer Dauer. Das muss nicht schlecht sein: Für den niederprozentigen Pilstrinker ist das Fire Beer als Einstieg in die große Bierwelt bestens geeignet.

Camba Dettl Fire Beer
Unfiltriertes, obergäriges Starkbier
8,0 % vol. alc., Stammwürze 17,5 %
Camba Bavaria

Foto: S. Diddy | CC