Nicht nur für Genießerinnen

Bier ist – leider – noch immer ein Unterschichtengetränk. Allerdings nur bei Männern. Sieht man sich die Nationale Verzehrstudie an, die schon einige Jahre alt ist, trinken Frauen Gerstensaft – verglichen mit dem männlichen Teil der Gesellschaft – sehr in Maßen, dafür aber durch alle Schichten hindurch gleichverteilt. Was die Vermutung durchaus nahelegt: Hier findet man mehr Genießerinnen.

bierfeeÄhnlich männlich dominiert ist auch das Handwerk selbst. Braumeisterinnen sind in Deutschland Exotinnen. Vier von ihnen, alle aus Oberfranken, haben sich zusammengetan, um die feminine Seite des Gerstensaftes zu stärken. Die Idee entstand, als das Quartett beim Biertrinken eine Runde von Frauen am Nebentisch Aperol Sprizz bestellen sah. Etwas, das wie so ein bittersüßer Aperitif mundet, das können wir auch, dachten sich die Brauerinnen.

Man könnte das „Holladiebierfee“ für ein großes Mischmasch halten. Nicht eine Malz-, Hopfen- oder Hefesorte wanderte in die Würze, sondern immer Cuvées, darunter auch Dinkelmalz und Champagnerhefe.

Herausgekommen ist ein feinperlendes, obergäriges Starkbier mit cremefarbenem Schaum, das es nicht übel nimmt, wenn es aus einer Sekttulpe und als Aperitif getrunken wird. Das bringt den rötlich schimmernden trüben Bernsteinton erst zur Geltung. Ganz entsprechend dringt eine angenehme Fruchtigkeit in die Nase: Zitrusfrüchte, ein leichter Erdbeerton. Was man vor dem ersten Schluck beinah für einen Bellini halten könnte, entpuppt sich als echtes Produkt aus Hopfen und Malz mit deutlich karamelligen Malznoten und angenehmer Hopfenbitterkeit. Das sorgt für Süffigkeit. Vor allem die fein moussierende Kohlensäure, für die wohl die Champagnerhefe gesorgt hat, gibt dem „Holladiebierfee“ den sommerlichen Touch.

Ein Bier für Frauen? Nicht nur. Auch eins für Genießer.

Holladiebierfee, Meinel-Bräu Hof, Starkbier, Alkohol 6 % Vol.

Das Integrative

Das Hochsauerland ist nicht mal so groß wie das Saarland, doch auf der Bierkarte müsste man es ungefähr so groß einzeichnen wie Bayern. Unweit der Ruhrquelle sitzen einige Schwergewichte der Pils-Branche, Warsteiner etwa und in dem kleinen Meschede die Veltins-Brauerei, die sich in den vergangenen Jahren zum Branchenprimus hochgearbeitet hat. Etwa auf halber Strecke zwischen den beiden Sudfabriken liegt das Städtchen Olsberg, und dort entsteht im Schatten der Großen ein ganz bemerkenswertes Bier.

josefsmaerzenDie Josefs-Brauerei ist die einzige behindertengerechte Brauerei Europas. Gärkeller wie Abfüllstraße – alle Arbeitsplätze sind barrierefrei gestaltet. Acht Menschen mit Behinderung arbeiten hier, zu branchenüblichen Löhnen, und einige von ihnen tun, was in Großbrauereien längst der Computer übernommen hat. In Olsberg vertraut man aber auf den Menschen, um gutes Bier zu brauen.

Das Sortiment hält auch ein Märzen bereit, das traditionelle, dunkle Oktoberfestbier – lange Zeit das eigentliche bayrische Bier. Am Alpenrand ist das Wasser nämlich zu kalkhaltig, um ohne Tricks, sprich Wasseraufbereitung, helle Biere brauen zu können.

Die sauerländische Variante hat eine rötliche Bernsteinfarbe und einen feinporigen, recht stabilen Schaum. Der Geruch ist ausgeprägt, durch die intensiven Malztöne dringt eine Note von getrockneten Aprikosen. Die ist beim Antrunk noch intensiver. Das Bier ist geschmeidig, fast
malzbierhaft, was im Abgang von der bitteren Hopfennote gestoppt wird, die aber leicht ausfällt.

„Trink Gutes“ steht auf dem Etikett. Das trifft zu, mindestens in einer Hinsicht.

Josefs Märzen, Josefs-Brauerei Olsberg Alkohol: 5,6 Vol.%

Wie Kölnisch Wasser

Schon wegen des Etiketts sollte man einen halben Liter dieses Biers kaufen. Denn die Flasche hat Ausstellungswert, auf dem Sims von Omas Küchenbüfett genauso wie auf einem Sideboard der 50er Jahre. Das dezente Schwarz-Weiß des Etiketts erinnert an alte Medizinflaschen, an Klsterfrau Melissengeist etwa oder an Kölnisch Wasser.

hausbrauerbierDas ist ziemlich auffällig in dem kunterbunten Etiketten-Allerlei. Bier verbirgt sich heutzutage hinter Softdrink-Fassaden genauso wie in noblen Flaschen, die bisher Whiskey oder Champagner vorbehalten waren. Diese Vielfalt ist auch Beweis für den Umbruch, in dem die Branche steckt. Bier hat Absatzschwierigkeiten, der Durchschnittskonsum sinkt hierzulande seit einigen Jahren. Während die Großen deswegen im Wesentlichen nach neuen Marketing-Ideen fahnden, setzen Kleine – darunter auch die Rittmayer-Brauerei in Hallerndorf, immer mehr auf Klasse. Für den Afficionado, der das Bier nicht nur billig im Supermarkt kaufen will, zahlt sich das aus.

Der Name „Hausbrauerbier“ auf dem Etikett erinnert an das bis heute bestehende Jedermanns-Recht, für den Hausgebrauch Bier zu brauen. In dieser Tradition wurde Bräu nie lange gelagert, es war dazu da, schnell getrunken zu werden. Ganz wie es sich gehört, fließt aus der Flasche ein junges, unfiltriertes Bier mit feiner Kohlensäure, das typische untergärige fränkische Landbier.

Die Apothekerflasche vor Augen ist man versucht, angenehme Hustensaftigkeit zu schmecken. Nach dem leichten Antrunk entwickelt sich eine ausgewogene, süßliche Bitterkeit, versetzt mit würzigen Röst- und Holzaromen, etwas an Echinacea erinnernd. In der Blindverkostung dagegen sind die medizinalen Eigenschaften weit weniger ausgeprägt, die Hefe tritt stärker hervor, vor allem vom Geruch her kommt das Bier an ein dunkles Weizen heran. Besonders hervorstechend ist die Cremigkeit im Mund. Bleibt nur ein Fazit: Wenn sich so eine Flasche gut im Regal machen soll, dann nur ausgetrunken.

Hallerndorfer Hausbrauerbier
Brauerei Rittmayer
Alkohol 5 Vol.-%, Stammwürze 12,5 %

Foto: JK / CC

Ein echtes Übergangsbier

Dass eine Zwischenstation in München nicht schlecht für die Karriere sein muss, gilt nicht nur für den Fussball. 1614 warben die Wittelsbacher den Braumeister Elias Pichler aus der Stadt Einbeck in Niedersachsen an. Sie schätzten das dortige Bier schon seit Jahrzehnten, wegen des Geschmacks und der Haltbarkeit. Nur der Import war Ihnen inzwischen zu teuer geworden. Das „Bier nach Einbecker Art“ wurde mit einem Zug in die bayrische Bierkultur integriert, auch sprachlich, denn „ein“ oder gar „a Einbecker“ bei der Bestellung auszusprechen, das brächte noch heute für so manchen Menschen unterhalb der Mainlinie einen arge Zungenverwicklung mit sich. Aus dem Einbecker wurde also der „Bock“, und unter dieser griffigen Bezeichnung begann das Bier bald seinen Siegeszug nicht nur am Alpenrand, sondern weltweit.

maibockIm Frühjahr wird das Ende der Starkbierzeit mit den Maiböcken eingeläutet. Mit selten mehr als 7 Volumenprozent Alkohol aber ausgeprägter Stammwürze gehören sie zu den leichtesten Varianten des Starkbiers, sind meist untergärig und erinnern daher und auch wegen ihrer hellen Farbe schon etwas an Lagerbier. Diese Frühlingsböcke sind echte Übergangsbiere und auch für den Kenner meist etwas uneindeutig. Sie versuchen oft, das süßlich-malzige Aroma des Starkbieres mit dem spritzigen, bitteren Charakter der helleren, nun im Sommer angesagten Biere zu vereinen.

Ein Maibock, bei dem man das ganz prägnant auf der Zunge spürt, stammt aus Sonthofen im Allgäu. Farblich erinnert das Bier an hellen Akazienhonig, in der Nase liegen Pfirsich- und Kräuternoten, der Schaum ist nicht der Rede wert. Beim ersten Schluck des hellen Bocks aus der Privatbrauerei Höss fallen Malz und Karamell deutlich auf, recht süßlich sogar und verraten die bayrische Herkunft. Dann entwickelt das Bier aber doch Rezens, also Spritzigkeit, der Hopfen kommt mit Zitrusklängen ins Spiel. Obwohl auf dem Etikett nur 6,5 Prozent ausgewiesen sind, bleibt das Bier deutlich alkoholisch am Gaumen.

Dieser Maibock ist keine ganz runde Sache, wieder mal nichts Halbes und nichts Ganzes, könnte man sagen. Ganz richtig, genau wie die Jahreszeit. Interessant nämlich: Khler, bei etwa 12 Grad getrunken kommt der bittere Hopfen stärker ins Spiel, und dann eignete sich dieser helle Bock schon ganz hervorragend als Aperitiv am Ende eines warmen Frühlingstag.

Heller Bock
Privatbrauerei Höss / Der Hirschbräu
6,5 % vol. Alkohol, Stammwürze 16,5 %