Laue Glut

Geht’s noch? Es ist gerade Ende März, und ich will schon übers Grillen reden. Ja, das müssen wir. Denn mittlerweile erobern Grillfleisch und Würstchen die Frischetheken, sowie die ersten Krokusse aus den Wiesen sprießen. Als ob man den Sommer herbeirösten könnte.

Grillen ist längst dabei, zum Ganzjahresgeschäft gemacht zu werden. Wintergrillen, das war über die vorigen Monate ein Thema, über das man wieder und wieder lesen konnte. Mit idyllischen Fotos – von harten Kerls, die in tief verschneiter Winterlandschaft den Grill umringen, meist vor einem tiefblauen Alpenhimmel. An den Aufnahmen ist bemerkenswert: Sie zeigen Menschen, die in der Kälte näher um die Glut zusammenrücken, als es irgendjemand an einem warmen Sommerabend wagen würde. Da kann der Grill buchstäblich als Herzstück gesellschaftlichen Zusammenseins inszeniert werden, ganz nach dem Motto: „Wir essen gleich vom Rost. Sonst kühlt das Fleisch zu schnell aus.“

Ja, überhaupt kann man zu dem Schluss kommen, im Winter geht es beim Grillen um den Kern. Nämlich ums Fleisch. Leichte Salate mit fruchtiger Vinaigrette, davon etwa empfehlen viele Autoren Abstand zu nehmen. Wer beißt schon gern in halbgefrorene Tomaten? Nein, wenn Minusgrade herrschen, muss einfach alles aus der Hitze kommen. Da ist das Tierische noch mehr Trumpf.

Aber genug. Die Tage werden lauer und die Aussichten besser, dass man nicht mit triefender Nase in der aufgeweichten Erde herumstampft, während man in der Nasskälte darauf wartet, dass die Kohle auf Betriebstemperatur kommt. Deshalb will ich von einem anderen Trend berichten, der gar nicht zum Bild der harten Kerls am Feuer passt. So langsam wird mit einer Gewohnheit gebrochen, die besagte: Je länger es dauert, bis die Kohle glüht, umso kürzer bleibt das Fleisch auf dem Rost. Am Grill ist eine neue Zeit der Zärtlichkeit ausgebrochen.

Denn auch bis hierhin hat sich die Kunde getragen, dass es mit Fleisch und hohen Temperaturen so eine Sache ist. Dass scharfes Anbraten in der Pfanne irgendwelche Poren schließen würde, hat sich als Mär erwiesen. Fleisch schmeckt am besten, wenn es sanft und mit Geduld auf den Garpunkt gebracht wird. Und der ist gar nicht so hoch. 56 Grad bei einem Rinderfilet, etwa 70 Grad bei einem Hühnchen. Das Sous-Vide- oder Niedriggar-Verfahren ist deshalb für immer weniger Menschen ein Fremdwort (und für meine Leser, hoffe ich, erst recht nicht). Man muss dafür nicht gleich Fleisch vakuumieren und ins Wasserbad hängen. Ein Steak nach dem Anbraten im aufgewärmten Ofen ruhen zu lassen, folgt der gleichen Erkenntnis.

Auch über offener Glut lässt sich das anstellen. Man nennt das indirektes Grillen. Es ist ein Verfahren, das dem Backen im Grunde viel ähnlicher ist als dem Braten. Das Fleisch braucht dafür Abstand von der Hitze. Die Kohle wird deshalb im Grill auf die Seiten geräumt, und damit die Hitze sich auch lang entfalten kann, wird zusätzlich noch ein Deckel eingesetzt.

Haben Sie vielleicht auch einen Kugelgrill? Für viele Leute sind sie so praktisch, weil diese runden Hauben den Apparat je nach Jahreszeit vor Regen, Schnee und Rost schützen. Oder einfach so schön das schnaufende, ranzige Innere des Grills verbergen, wenn die Mahlzeit auf dem Teller liegt. Die Deckel sind aber vor allem kulinarisch zweckmäßig. Unter ihnen lassen sich dicke Steaks, ganze Hühnchen und sogar Fisch zubereiten, ohne Gefahr zu laufen, dass die Stücke außen schwarz werden und innen roh bleiben. Sogar Pizza, Brot oder Kuchen lassen sich so wie in einem Backofen zubereiten.

Man sollte eben nur mit der Glut geizen. Deshalb passt die neue Art des Grillens auch nicht wirklich zum Winter. Aber wie gesagt: Die Tage werden jetzt ohnehin lauer.

Foto: James Offer | CC

Liebeslied an einen Herd

Ich melde mich aus den Flitterwochen. Entschuldigen Sie also meinen Überschwang. Aber es kam alles ganz unverhofft. War sozusagen Liebe auf die erste Flamme. Und meine Lieblingsesserin war einverstanden, dass ich die folgende kleine Serenade aufsetze. „Vielleicht“, sagte sie, „lässt Du mich dann in Ruhe.“

Sie hat Recht. Ständig rufe ich sie an den Herd, auch nur, um in den Topf zu schauen, in dem ich Zwiebelwürfel anschwitze. „Da braten Zwiebeln“, sagt sie verständnislos. Und ich – noch verständnisloser: „Aber guck mal, wie das Fett spritzt, wie die Würfel tanzen, schon seit fünf Minuten. Und da wird nichts schwarz. Irre, oder?“ Während ich den Risotto zur Vollendung bringe, telefoniert sie mit einer Freundin. Sie sagt: „Er wird wahnsinnig: Er lässt gerade Zwiebeln tanzen.“

Es war nur eine Laune, warum ich mich von meinem alten Herd verabschiedet habe. Fast zwanzig Jahre war er alt, und wir beide sind noch gut miteinander ausgekommen. Ich stehe ohnehin auf dem Standpunkt, dass in der Küche technische Geräte nur so gut sind, wie die, die sie bedienen. Früher oder später entwickeln alle ihre Eigenheiten. Für jedes neue Instrument muss man abwägen: Lieber die vertrauten Macken oder eventuell neue Spleens.

Mein Ofen war schon ein alter Herr namens Bauknecht, nicht mehr der schnellste und jede Anstrengung war ihm anzumerken. Nach einer halben Stunde Vorheizzeit auf höchster Stufe inklusive Grill hatte sich die Nadel auf dem Ofenthermometer langsam zum 200-Grad-Strich vorgezittert. Pfannen setzte ich besser vor dem Gemüseschneiden aufs Kochfeld. Und bei Schmorgerichten hatten wir immer Streit. Herr Bauknecht verstand einfach nicht, dass die Rinderbrust bei genau 120 Grad für acht Stunden im Ofen zu sein hatte. Er gab ständig mehr Stoff.

„Early induction hob cooker (Rankin Kennedy, Electrical Installations, Vol II, 1909)“ von Andy Dingley (scanner) - Scan from Kennedy, Rankin (1909 edition) Electrical Installations, vol. II, London: Caxton. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia CommonsDu hast dich sicher für Gas entschieden, sagen nun viele Leute. Und schütteln die Köpfe, weil nun ein Induktionsherd in der Küche steht. Neumodisches Zeugs? Keineswegs. Die frühesten Patente für diese Technologie wurden bereits um 1900 angemeldet. Die ersten Haushaltsgeräte dann in den 70ern produziert. Vorher wurde Induktion in der Industrie eingesetzt, etwa um Metalle zu schmelzen.

Die Funktionsweise klingt ein bisschen wie Voodoo: In einer großen Kupferspule unter der Herdplatte wird ein elektromagnetisches Wechselfeld aufgebaut. Steht darüber ein Topf, der magnetisch ist, wird Hitze direkt in den Topfboden induziert. Man kann sogar Papier dazwischenlegen. Und ein Aluminiumtopf bleibt kalt. Das Schöne daran: Wie beim Gasherd  wird Energie sofort in Hitze umgesetzt. Wie, das lässt sich aber noch genauer und feiner regulieren. Das sollte mein Zwiebelversuch eigentlich zeigen.

Induktionsherde haben nur zwei Nachteile. Meist muss man auch neue Töpfe mit magnetischem Stahlboden zulegen. Und die Herde kommen neuerdings oft mit Touchpad-Funktion. Wie beim Smartphone soll man für die Bedienung über das Ceranfeld wischen und irgendwelche virtuellen Knöpfe drücken. Das funktioniert vielleicht noch im Geschäft, in der Küche, wenn wie bei mir die Finger sofort nass und fettig sind, selten. Ich habe schon erlebt, wie die besonnensten Köche unter hektischem Tippen auf solche Herdplatten einbrüllten, und daher lange nach einer Alternative gesucht. Die Ausstattung mit guten alten Knöpfen hat einen stolzen Preis.

Gerade bekommt mich kaum was vom Herd weg. Beispielsweise Rosenkohl kurz zu blanchieren, bevor er im Ofen, der übrigens ganz konventionell funktioniert, zu Ende backt: Das ist kein Akt mehr. Das Wasser kocht in Sekunden. Und ich liebe es, vor sich hin schmurgelnde Zwiebeln zu beobachten und den süßen Duft in mich einzusaugen. Macken? Manchmal bekomme ich Angst, wie perfekt dieser Herd funktioniert.

Foto: Ben O’Bryan | CC

Die Götter sind mit mir

Eine dünne, blaue Fahne entsteigt dem Kaminrohr und löst sich gleich in Luft auf. Als ob der Ofen nur ruhig atmen würde. Die Thermometernadel ist gerade über die 100-Grad-Marke gewandert. Endlich ist alles bereit. Ich schiebe zwei dicke Stücke Schweineschulter in den Bauch meines Räucherofens.

Es ist sieben Uhr morgens, und es wird langsam Zeit. Heute Abend will ich das butterweiche Fleisch zerrupfen und mit Krautsalat auftischen. Nur noch zwölf Stunden, da darf nicht mehr viel schiefgehen. Vor allem muss ich mir verbieten, lustvoll ein Auge auf die rostrot glänzende Oberfläche zu werfen, die das Fleisch bald annehmen wird. Jeder Blick unter die Klappe bedeutet eine halbe Stunde mehr Garzeit, sagt das Kochbuch.

Man kann grillen oder smoken. Die meisten verstehen Ersteres darunter, wenn man Fleisch über glühende Kohle hält. Ich habe dem nie viel abgewinnen können. Es ist natürlich praktisch, ein Steak auf jeder Seite zwei, drei Minuten auf einen Rost über die Glut zu legen. Aber wer hat für so ein kurzes Erlebnis schon die Geduld, lange einzuheizen. Ich nicht. Und wenn man mich fragt, ist das auch der Grund, warum Menschen die Kohle mit Unmengen von Spiritus tränken oder mit kleineren oder größeren Heißluftgebläsen arbeiten, nur um möglichst schnell ihren Grill zur Weißglut zu bringen. Oder sie wechseln gleich zum Gas- oder Elektrogrill, was ich nicht unklug finde. Habe ich Menschen geschrieben? Ich meine natürlich Männer. Und Entschuldigung, liebe Geschlechtsgenossen: Gegen Smoken ist Grillen ungefähr das Gleiche wie das Kochen in der Mikrowelle.

In meinem Garten steht seit einigen Wochen ein Ding, das man mit nur wenig Fantasie mit einer kleinen Lokomotive vergleichen kann. Es besteht aus zwei aneinandergeschweißten Eisenfässern, an dem größeren sitzt ein Kaminrohr. Das äußere Fass birgt die Glut, Rauch und heiße Luft strömen durch das andere Fass, bis sie den Weg in den Schornstein finden. Heißräuchern ist das, was darin passiert.

Pulled Pork
Pulled Pork. Bestandteil der heiligen Dreifaltigkeit des Heißräucherns

Aber geläufiger sagt man smoken, denn diese Zubereitungsart ist das Herzstück des American Barbecue und hierzulande noch recht exotisch. Man kann ziemlich viel in den Bauch einer Räucherkammer schieben: Fleisch, Fisch, Gemüse, sogar einen Nudelauflauf. Dem Prinzip nach soll eine sehr milde Hitze auf das Gargut treffen. Niedrigtemperaturgaren heißt das im wissenschaftlichen Kochjargon. Und das bedeutet, dass Forellen schon mal zwei Stunden im Smoker liegen können und von feinem Rauch umschmeichelt werden. Oder eine Schweineschulter bei 110 Grad den ganzen Tag. Stellen Sie sich vor, wie viele Aromen sich in dieser Zeit entwickeln können, verglichen mit der hitzigen Dampframme, die auf dem Grillrost auf den Fisch einschlägt.

Es ist vor allem der warme Rauch, der die Arbeit macht. Feucht ist er und enthält zahlreiche aromatische Gase aus dem glimmenden Holz. Man kann es riechen und versteht, warum Menschen in dem weiß aufsteigenden Dunst einst Gottheiten sahen.

Pulled Pork bereite ich heute zu. Es gehört neben Schweinerippchen (Spare Ribs) und Rinderbrust (Brisket) zur heiligen Dreifaltigkeit des BBQ. Nach zwölf Stunden wird es fast zwischen den Fingern zerfallen, und dafür heize ich gerne ein.

Noch Tage nach so einem Smoking-Tag steigt mir der Geruch in die Nase, den der Räucherofen verströmte, während ich über die Glut wachte. Ich habe mir die Haare gewaschen, andere Kleidung an. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit: Woher kommt der Duft? Und hat es die Frau, die gerade in der U-Bahn neben mir sitzt, auch gemerkt? Die Götter sind mit mir.

Foto: Martin Gommel | CC, Another Pint please | CC

Streng genommen auch ein Nudelsalat

Zurzeit wird mir häufig die Frage gestellt: „Hast du einen Tipp? Ich bin zum Grillen eingeladen und soll einen Salat mitbringen. Ich will aber nicht die fünfte Schüssel Nudelsalat anschleppen.“ Mit dem Tipp kann ich dienen. Aber es handelt sich da streng genommen auch um einen Nudelsalat. Das wissen nur die wenigsten. Grundbestandteil ist Couscous, ein grober Hartweizengrieß, der mit Salzwasser angefeuchtet und so lange gerieben wird, bis die einzelnen Körnchen annähernd rund sind. Anschließend wird er wieder in der Sonne getrocknet und ist dann lange haltbar.

couscous
Als Couscous noch mit der Hand hergestellt wurde

In Italien gilt Couscous als Teil der Pasta-Familie, als Teigware also. Und was dem Italiener die Nudel, ist dem Nordafrikaner Couscous – ein Grundnahrungmittel. Übrigens auch dem Franzosen – der wegen der Einwanderer aus dem Maghreb schon viel früher auf den Geschmack gekommen ist. In Westdeutschland erlebte Couscous mit den 68ern eine kleine Blüte, erst in letzter Zeit sehe ich aber Couscous-Salat – oder besser Tabouleh – ständig in den Kühlregalen großer Supermarktketten.

Ich selbst habe Couscous im Studentenwohnheim kennengelernt. Suha, die aus Marokko kam, bereitete es in einer Couscoussiere zu, so wie man das traditionell in ihrer Heimat macht. Unten im Topf kochte Fleisch und Gemüse, in einem Einsatz dämpfte darüber über eine halbe Stunde der Hartweizengrieß. In ihrer Heimat, erzählte sie, schätzt man die Stimmung einer Frau daran ab, wie luftig ihr Couscous geworden ist. Suha war ein fröhlicher Mensch, ihr Couscous das lockerste, das ich je gegessen habe.

Natürlich verachtete Suha Instant-Couscous aus dem Supermarkt, vorgegart und in Minuten fertig gemacht. Trotzdem: Ich greife selten zu etwas anderem. Couscous zuzubereiten ist noch viel leichter, als auf der Packung steht. Da soll man etwa 1,5-mal so viel Wasser aufkochen, dann Salz und Couscous einstreuen, noch einen kleinen Schuss Olivenöl dazugeben, dann den Topf vom Herd nehmen, das Couscous bei geschlossenem Deckel drei Minuten quellen lassen, nun mit einer Gabel auflockern und den Topf dann wieder für zehn Minuten abdecken.

Das ist reine Alchemie. Ich fülle ein Glas Couscous ab, nehme aus dem Wasserkocher die gleiche Menge heißen Wassers und gebe es mit einem halben Teelöffel Salz in eine verschließbare Plastikschüssel. Deckel drauf, und nach fünf Minuten ist das Couscous einsatzbereit. Das ist so einfach, wie eine Instantsuppe aufzugießen.

Nur mit der Wassermenge sollte man experimentieren. Couscous sollte leicht und locker sein, nicht al dente, und es sollte ein bisschen zusammenkleben. Wenn man wasserreiches Gemüse wie Tomaten und Gurken dazugibt, empfiehlt es sich, das einzurechnen. Ich verwende dann nur halb so viel Wasser und lasse den Salat einfach ziehen. Das Couscous saugt weiter, der Salat bleibt wunderbar körnig.

Klassiker eines Couscous-Salats ist natürlich das Tabouleh. Manche verwechseln es mit einem Petersiliensalat, so viel von diesen Kräutern sind manchmal in der Schüssel. Aber es wäre doch langweilig, wenn alles nur nach Petersilie schmecken würde. Ich verwende viel Minze, eingeweichte Korinthen und kleingewürfelte Radieschen, die eine feine Schärfe beisteuern, und zwar so, dass man am Ende alle Zutaten aus dem Salat herausschmecken kann. Ein Rezept habe ich dafür nicht, ich mische nach Belieben und probiere ausdauernd, bis ich zufrieden bin.

Und wann ist ein Tabouleh wirklich gut? Ganz einfach: Wenn die Schüssel leer ist, noch bevor das Fleisch vom Rost kommt. Und die Mayonnaise auf den anderen Nudelsalaten noch jungfräulich glänzt.

Ein Essen in Freiheit

Kaum dass die ersten warmen Abende heraufziehen, kann man es schon an allen Ecken wieder riechen, in den Parks, von Balkonen oder durch dichte Hecken im Schrebergarten: glimmende Kohle, verbranntes Fett, verdampftes Löschbier. Aber so ist das im Frühling. Er weckt eine unbändige Lust, nacktes Fleisch in die Wärme zu halten, nicht nur das eigene.

kirschblütenIch habe überhaupt nichts dagegen. Ich wundere mich nur, welch Aufwand da oft betrieben wird. Muss es denn immer Grillen sein? Vergleichen wir es mit dem Camping: Ein Barbecue kommt mir da oft vor wie eine Reise mit dem Wohnmobil. An was muss man nicht alles denken: An den Grill, die Kohle, den Anzünder. Ist der Rost sauber? Was nimmt man als Blasebalg, um die Glut anzufachen? Teller, Besteck, Grillsoßen – all das will bedacht sein. Wie einfach ist es dagegen, ein kleines Picknick zu organisieren. Das ist wie eine Wandertour, auf der man nur den Schlafsack dabei hat. Denn für ein Picknick braucht man fast gar nichts: sein Essen, eine Decke und ein Taschenmesser.

Picknick ist für mich das wirkliche Essen im Freien. Eines, bei dem es ganz anders schmeckt. Und oft viel besser. Ich erlebe das immer wieder. Ein Apfel, eine Tomate, eine kleine Salami und frisches Brot: Was einem beim Abendbrot am Tisch gewöhnlich und vielleicht auch ein wenig ärmlich vorkommt, wird zum Festmahl, wenn es unter dem freien Himmel genossen wird, bei herrlichem Ausblick, auch wenn sich die Kante eines Feldsteins in den Hintern bohrt oder schon die Ameisen beginnen, ihre Autobahnen auf der Picknick-Decke anzulegen.

Picknick bedeutet Freiheit, nicht nur im Freien essen. Zwar haben die Menschen das schon immer getan, aber Picknick ist doch mehr: Man verlässt den Esstisch zuhause mit den angestammten Sitzplätzen und sucht sich eine eigene Tafel unter Bäumen, jede Sitte lächerlich wird – und niemand was dagegen hat, wenn sich der Gegenübe genüsslich die Finger ableckt.

Man muss sich das Picknick, als es erfunden wurde, als kleinen Ausbruch von der Bürgerlichkeit vorstellen, als Mini-Rebellion. Wann genau das passierte, ist nicht mehr zu sagen. Sowohl Engländer wie Franzosen beanspruchen die Urheberschaft. Nach der französischen Theorie setzt sich das Wort pique-nique aus den Vokabeln piquer (stechen oder stehlen) und nique (veraltet: Kleinigkeit) zusammen. Die erste schriftliche Erwähnung findet sich in dem Roman „Les Caractères“ des französischen Schriftstellers Jean de La Bruyère, das 1688 erschien. Allerdings wird damit beschrieben, wie der Protagonist sich von dem Essen, das seine Gäste mitbringen, einen Teil für sich beiseite legt.

Lange bezeichnete pique-nique eine Mahlzeit, zu dem jeder etwas beisteuerte und die nicht zwingend draußen stattfand. So erläutern es auch Jacob und Wilhelm Grimm 1889 in ihrem Deutsche Wörterbuch. Im französischen Sprachgebrauch haftete dem Wort lange etwas Verwerfliches an. Der „Almanach des Gourmands“ von 1806 bezeichnet es als Zusammenkunft einer beschränkten Anzahl von Männern und gleich vielen Frauen. Bei der Beschreibung wird deutlich, dass es nicht um das Essen allein ging.

Die Engländer haben ihre eigene Theorie entwickelt. Das Wort komme von von pick, greifen, und nick, einem alten Begriff für den Augenblick, sagen sie. Wie auch immer. So fern von der französischen Definition liegt das nicht. Viel wichtiger: Sie waren es, die für die frische Luft sorgten. Bis heute machen sie es der wohl begeisterten Picknickerin der Geschichte nach, Königin Viktoria, die häufig im Freien speiste. Ein Engländer lässt sich von keiner noch so dunklen Regenwand davon abhalten, in der freien Natur die Sandwichs auszupacken und die Thermoskanne mit Tee aufzuschrauben. Ich weiß auch warum. Das labberigste Sandwich schmeckt auf einmal wie großes Kino.

Meine Barbecue-Mission

Liebe Grillfreunde, es wird Zeit für meinen jährlichen Abstecher an den Rost. In den vergangenen Jahren waren Gemüse auf dem Grill und Spieße meine Themen. Ich könnte heute über das Wesen der Bratwurst sinnieren, ein großes Kulturgut der deutschen Küche. Aber wenn es ums Grillen geht, denke ich immer zuletzt an Fleisch.
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