Da steckt Musik drin

Ich habe an dieser Stelle schon öfter über Tofu geschrieben. Weißes Zeugs, das kaum schmeckt, aber in der chinesischen Küche wegen seiner vielfältigen Konsistenz geschätzt wird. Mal seidenweich, mal fest und gummiartig, ist Tofu immer eine Zutat, die ein komplexeres Erlebnis beim Kauen und Beißen erlaubt. Der Geschmack selbst ist dabei eher nebensächlich.

Mozzarella
Der frische Käsebruch wird überbrüht und dann geknetet. So entstehen elastische kleine Mozzarelle-Batzen

Ich habe lange geglaubt, in der europäischen Küche gibt es keine Entsprechung. Das war falsch. Es gibt eine Zutat: Mozzarella. Ebenfalls weißes Zeugs, ebenfalls recht geschmacklos – das aber ganz unterschiedliche Festigkeiten haben kann: dick und elastisch genauso wie cremig weich. Kommt darauf an, wofür man ihn verwenden will. Wenn er geschnitten und gewürfelt auf einer Pizza verteilt werden soll, dann hat man mit den härteren Varianten leichteres Spiel.

Ich stehe aber mehr auf weichen Mozzarella. Und wenn er cremig ist, noch besser. Büffelmozzarella etwa oder eine andere Variante namens Burrata. Ich finde es immer wieder einen schönen Anblick, wenn so ein weißer, wabbeliger Käseballon vor mir liegt und aussieht, als könne er gleich aufplatzen und sich sahnig auf das Schneidbrett ergießen.

Was man ihm weniger ansieht: Mozzarella und seine Brüder sind Frischkäse. In Italien sagt man zu dieser Gruppe Pasta-Filata. Dafür wird neuer Käsebruch heiß überbrüht und anschließend geknetet, bis die ganze Masse aussieht wie ein großer Teigklumpen. In dieser Phase lässt sich auch bestimmen, wie weich der Käse am Ende werden soll. Anschließend werden kleine Batzen abgetrennt, und davon hat der Käse seinen Namen: Abtrennen heißt auf italienisch „mozzare“. Natürlich kann man den Käse noch reifen lassen: Scamorza und Provolone – alles alter Mozzarella.

Im Sommer habe ich diesen Käse immer parat. Ob er aus Italien stammt, ist mir inzwischen einerlei. Hauptsache, er enthält kein Dioxin. Da gab es vor ein paar Jahren mal einen Skandal. Mozzarella wird längst nicht mehr allein auf dem Stiefel hergestellt. Zwar beharren die Italiener eifersüchtig auf der Herkunft von dort, aber das Paradeprodukt, der Büffelmozzarella, stammt aus der Milch von Wasserbüffeln, einer asiatischen Rinderart, um deren Einbürgerung nach Italien sich Legenden ranken. Und ein Frischkäse verträgt keine langen Lieferwege.

Man kann Mozzarella langweilig finden. Das liegt aber daran, dass er langweilig eingesetzt wird. Wer Caprese, also Mozzarella mit Tomaten und Basilikum, uninteressant findet, sollte nicht dem Käse die Schuld geben. Eine Wucht wird dieses Gericht erst im Spätsommer, wenn die Tomaten so reif sind, dass ihr süßer Geschmack mit scharfen Spitzen im Mund explodiert. Mozzarella braucht starke Aromen. Seine weiche Milde passt deswegen auch zu Auberginen, zum Beispiel in einer Pasta alla Norma, wenn noch samtige Tomatensoße die Nudeln umhüllt.

Auch marinieren lässt sich Mozzarella gut, ganz ähnlich wie Harzer Käse. Man könnte dann von Mozzarella con musica (Hier ein Link zum Erfinder des Ausdrucks) sprechen. Zitronenabrieb, Kräuter wie Thymian, Basilikum oder Majoran, etwas Salz, auch kleingehackte getrocknete Tomaten – aus diesem Baukasten bediene ich mich. Dazu kommen noch ein paar Spritzer gutes Olivenöl. Darin darf der zerpflückte Käse dann eine halbe Stunde ruhen. Das Salz entzieht ihm Molke, die Käsestränge treten hervor, an anderen Stellen wird die Masse cremiger. Ein herrliches Sommergericht. So ein Mozzarella passt einfach auf eine Scheibe Brot oder zu Ofengemüse, das während der Einlegzeit unter dem Grill lag. Und er macht auch aus mittelmäßigen Tomaten einen Salat, für den man jedes Caprese vergessen will.

Foto: Scalino | CC

Rezept der Woche: Felchen-Escabeche

Über die Escabeche habe ich schon in meiner jüngsten Kolumen geschrieben. Auf die Idee hat mich Peggy Schatz von multikulinarisches gebracht, die mich in diesem Jahr zum Blogger-Event Süßwasserfische eingeladen hat. Eine wirklich gute Idee, denn wer weiß schon noch genau, was außer Forelle und Karpfen in unseren heimischen Flüssen und Seen noch an gutem Speisefisch zu bekommen ist.

Auf ihrem Blog ist auch ein Text erschienen, in dem ich meine besondere Beziehung zur Renke, wie die Maräne oder das Felchen am Chiemsee genannt werden, erzähle. Das folgende Rezept gelingt auch mit anderen Fischfilets wie Zander, Saibling oder kleinen Rotbarben. Ich habe das traditionelle Escabeche-Rezept, bei dem gebratener Fisch zu Aufbewahrungszwecken sauer eingelegt wird, zu einem Sous-Vide-Verfahren umgestaltet. Will heißen, die schnell und scharf angebratenen Fischfilets ziehen bei moderater Temperatur in säuerlicher Brühe schwimmend im Ofen weiter und trocknen so nicht aus. Man kann sich so nach der Fischzubereitung der Gemüseküche widmen, noch ein paar Gläser Wein trinken oder in Ruhe auf sich verspätende Gäste warten. Denn es macht nichts, ob der Fisch 20 Minuten oder zwei Stunden in der Marinade ruht. Mit der Escabeche wird die Kochsession also sehr chillig, und das passiert einem mit Fisch nicht so oft.

Zutaten

  • Filets von zwei großen Maränen, bitte mit Haut
  • 750 ml Fischfond
  • 250 ml Weißwein
  • 125 ml Weißweinessig
  • 3 Lorbeerblätter
  • 2 Zwiebel
  • 1 Stange Sellerie
  • 1 Bund glatte Petersilie, gehackt
  • Abrieb von einer Bio-Zitrone
  • Mehl, Salz, Pfeffer, Öl oder Butter zum Braten

Zubereitung

Zuerst muss die Marinade vorbereitet werden. Dafür werden die Zwiebeln geputzt und in Ringe geschnitten. Den Sellerie schneide ich der Länge nach in gleich breite Scheiben und dann Stifte von der Länge einer Handbreite. Zwiebeln und Sellerie werden in einer Pfanne angeschwitzt, sie dürfen golden anbraten, das gibt dem Fond später eine sattere Farbe. Anschließend wird mit Wein und Essig abgelöscht, dann kommen noch Brühe und Lorbeer dazu. Das Ganze lasse ich etwa 10 Minuten köcheln, so dass sich das Lorbeeraroma entwickeln kann.

Dieses Rezept ist eine Grundvariante. Es gibt x Möglichkeiten, daraus noch mehr zu machen. Zum Aufpeppen eignen sich natürlich Gewürze, Chili, Austernsauce und Ingwer (für einen asiatischen Touch) genauso wie Knoblauch, ein kleiner Klecks Tomatenmark und ein guter Schuss Pastis für die mediterrane Variante. Der Weißwein lässt sich auch teilweise durch Sherry oder Noilly Prat ersetzen. Wichtig ist, dass die Marinade üppig und appetitlich sauer schmeckt.

Nachdem die Marinade zubereitet ist, werden die Fischfilets auf der Hautseite gepfeffert und gesalzen. Dann den Ofen auf höchstens 50 Grad vorheizen und eine Pfanne richtig heiß werden lassen, am besten erhitzt man sie bis zum Rauchpunkt, gießt 2 El Öl in die Pfanne und schaltet dann den Herd ab. Die Filets werden auf der Hautseite kurz angebraten und anschließend wieder aus der Pfanne gehoben. Nun wird etwas Marinade in die Pfanne gegossen und gewartet, bis die Flüssigkeit nicht mehr kocht. Dann kommen die Fischfilets mit der Hautseite nach oben in die Pfanne und es wird weiter so viel Marinade angegossen, dass die Filets darin schwimmen, die Haut aber größtenteils trocken bleiben. Nun wandert die Pfanne in den Ofen und wartet dort, bis der Fischgang zubereitet wird, mindestend aber 20 Minuten.

Beilagen

Ich setze die Escabeche gern auf einen großen Klacks Kartoffel-Knoblauch-Püree. Pro geschälter Kartoffel gebe ich eine halbe Knoblauchzehe mit ins Kochwasser. Das klingt nach viel, aber ein Großteil vor allem des scharfen Knoblauch-Aromas verfliegt bei dieser Zubereitungsweise. Nach dem Stampfen gieße ich keine Butter-Milch-Mischung an wie beim klassischen Püree, sondern Fischfond und einen guten Schuss Olivenöl. Für die asiatische Variante eignet sich das Püree nicht so gut. Hier wechsele ich auf Pak Choi, der kurz mit Knoblauch in einer Pfanne sautiert wurde und dann als Unterlage für die Escabeche dient.

Anrichten

Zum Servieren nehme ich die Fischilets aus der Pfanne und schöpfe dann mit einer Schaumkelle auch Zwiebeln und Sellerie ab. Das Gemüse vermische ich mit der gehackten Petersilie und dem Zitronenabrieb, in der Asia-Variante ersetze ich die Zironenzesten mit geröstetem Sesam. Anschließend wird Püree oder Pak Choi in einem vorgewärmten, tiefen Teller leicht aufgehäuft, dann setze ich darauf die marinierten Felchenfilets, gieße drumherum etwa 3 bis 5 mm hoch Marinade. Auf die Fischfilets kommt dann das angemachte Zwiebel-Sellerie-Gemüse.

Foto: Biodivlibrary | annalibera |Orin Zebest | CC

Sogar die Marinade ist zum Löffeln

„Ich weiß schon, was Du nimmst“, sagt meine Liebste neulich im Restaurant, wir haben eben die Speisekarte in die Hände genommen. „Glaubst Du? Ich hab noch gar nicht durchgeschaut.“ Sagt sie: „Na, dann lies mal.“

Nach so einer Ansage ist es natürlich schwer, sich richtig zu entscheiden. Bin ich so einfach auszurechnen? Soll ich nehmen, was ich nie bestelle, mit den Worten: „Doch, heute hatte ich einfach mal Lust auf einen kleinen Salat mit Putenstreifen“? Nein, das wäre zu offensichtlich. Und ein viel zu kleiner Triumph. Auch der Risotto fällt deswegen aus, Risotto esse ich außer Haus ganz selten. Das Ossobuco wäre eigentlich keine schlechte Idee, aber das gehört bekanntermaßen zu meinen Favoriten. Kommt also auch nicht in die engere Wahl. Das gilt auch für die Lammsteaks. Habe ich die nicht schon beim letzten Mal hier gegessen? Das sind so die Gedanken, mit denen ich mich durch die Speisekarte hangele, immer unentschiedener, immer ratloser. Ich bin schon kurz davor, mir die Haare zu raufen. Dann fällt mir ein Gericht ins Auge. Und ich weiß, sie weiß es. Soll sie nur Recht bekommen, dieses Experiment ist es mir wert.

Als ich hochblicke, sagt sie lächelnd: „Das war leicht.“ Ich frage „Warum?“ „Weil ich keinen Schimmer habe, was das sein könnte“, antwortet sie, „Und ich glaube, Du auch nicht. Also.“ Und dann winkt sie der Kellnerin.

escabeche
Auch Escabeche: Sauer eingelegte Sardinen

Wie recht sie hat. In dem Punkt bin ich wirklich leicht auszurechnen. Ich greife gern zu Unbekanntem. Wenn Kalbsbries, Puntarelle oder Salat von rohen Artischocken auf der Karte stehen, bin ich dabei. Heute ist es „Schwertfisch-Escabeche“. Ich habe keine Ahnung, was das sein könnte, und die Kellnerin weiß es auch nicht: „Das ist ganz neu. Sie sind der Erste, der das bestellt“, sagt sie. Was nicht unbedingt für das Lokal spricht, aber für meine Wahl. Nun bin ich gespannt. „Können wir die Vorspeise überspringen“, frage ich. Wir können. Meine Liebste kennt mich ja …

Platzen Sie nun auch fast vor Neugier? Das war der Sinn dieser Einleitung. Also lasse ich schnell mal die Luft aus dem Ballon, und zwar karacho: Bei Escabeche handelt es sich um so etwas Ähnliches wie den guten alten deutschen Brathering – pfuuuuhh – und auch wieder nicht. Denn ehrlich gesagt war ich ziemlich  erstaunt, dass man mit so einer Zubereitungsweise so etwas Schmackhaftes auf den Teller bringen kann.

Bisher dachte ich, Brathering sei ein Singularität der deutschen Küche. Und das ganz zurecht, so sehr wie es mir oft den Mund zusammenzieht, wenn ich das aufgetischt bekomme habe. Aber die Singularität bezieht sich offenbar nur auf den Essigverbrauch. Inzwischen weiß ich, einen Fisch aus der Pfanne und in eine Essig-Marinade zu heben, hat nicht nur an der Küste Deutschlands Tradition, sondern auch am Mittelmeer und in der Karibik. In Italien sagt man auch „Scapece“ dazu, in Griechenland „Savoro“. Es handelt sich natürlich ursprünglich um eine Methode, um den Fisch haltbar zu machen, und beim Hering sollen sich dabei auch noch die Gräten auflösen, was den eifrigen Gebrauch von Essig erklärt, aber nicht entschuldigt.

Die Escabeche-Variante, die ich gegessen habe und seitdem auch oft gerne koche, erinnert nur noch leicht an die Konservierungsmethode. Man braucht dafür eine Marinade, die gerade so sauer ist, dass man sie auch gerne so löffeln möchte. Dafür koche ich Fischfond, Weißwein, Weißweinessig, Lorbeer, Piment und angebratene Zwiebeln auf, lasse die Marinade wieder etwas abkühlen und lege darin Fischfilets für etwa 45 Minuten ein. Dann heize ich den Ofen auf kleinster Stufe (50 Grad) vor und stelle eine Pfanne bei größter Hitze auf die Herdplatte. Die Filets werden abgetupft, leicht bemehlt und in etwas Öl zwei Minuten auf der Hautseite braun angebraten. Dann nehme ich die Pfanne vom Herd und lagere die Filets auf Küchenpapier. Ich gieße nun etwas Marinade in die Pfanne, warte, bis sie nicht mehr kocht, lege den Fisch mit der Hautseite nach oben hinein und gieße weiter Marinade nach, bis der Fisch darin schwimmt, die Hautseite aber trocken bleibt. Nun kommt die Pfanne in den Ofen.

Klingt kompliziert, erspart einem nun in der Küche aber viel Stress, denn der Fisch kann nun im Ofen bleiben, so lange man will, mindestens jedoch zwanzig Minuten. Ich habe nun viel Zeit, um in Ruhe ein Kartoffel-Knoblauch-Püree zuzubereiten und  Fenchel-Schnitze sowie Zucchini anzudünsten. Am Ende werden die Fischfilets in einem Suppenteller auf das Püree gesetzt, das Gemüse drum herum dekoriert. Am Schluss gieße ich noch etwas von der Marinade in den Teller.

Für das Rezept eignen sich nicht nur Meeresfische wie Wolfsbarsch oder Makrelen, sondern auch Flussbewohner. Besonders gern bereite ich so Felchen beziehungsweise Renke zu, wenn ich sie bekomme. Aber es funktioniert auch mit Forelle und Saibling. Die Säure spielt dem erdigen Geschmack dieser Fische etwas entgegen.

Noch einmal zurück zum Restaurant: Das Gerichte-Raten haben wir inzwischen schon einige Male wiederholt. Ich verliere sehr oft. Ich esse einfach zu gerne Neues.

Foto: annalibera | CC