Pfeffriges Waldgold

Es gab eine Zeit, da habe ich mich gewundert, warum etwas keinen Pfifferling wert sein soll. Ich benutze ausdrücklich die Vergangenheitsform, weil sich die Frage nicht mehr so dringend stellt. Die kulinarische Metapher ist der Alltagssprache fremd geworden. Man sagt heute nicht mehr, dass mit jemand nicht gut Kirschen essen ist, man lässt auch nichts mehr auf kleiner Flamme kochen, sondern versucht eher, den Ball flach zu halten. Und den Braten riecht auch niemand mehr, dafür aber zehn Meter gegen den Wind, wenn etwas faul ist. Man kann das für schade halten, es sagt aber auch etwas über unsere Beziehung zu Lebensmitteln aus.

pfifferlinge
Reherl, Eierschwammerl, Chanterelle oder einfach: Pfifferling

Was es mit dem Pfifferling auf sich hat, ist jedenfalls umstritten. Es gab eine Zeit, in der dieser Pilz in deutschen Wäldern so stark verbreitet und leicht zu sammeln war, dass er den Menschen ziemlich wertlos vorkam. Das könnte der Ursprung sein. Genauso wahrscheinlich ist aber, dass der Pfifferling in der Redewendung aus dem „Fünferle“ oder „Fifferle“ entstanden ist, wie man im süddeutschen Raum einst das Fünf-Pfennig-Stück bezeichnete. Keine Ahnung, was stimmt.

Der Pfifferling jedenfalls ist mir einiges wert. Er fällt mir als Erstes ein, wenn ich an Pilze denke. Und nicht etwa Champignons, diese wie normiert aussehenden Gewächse, die heutzutage vor allem in ehemaligen Bunkern und U-Bahn-Röhren vorkommen. Pfifferlinge lassen sich nicht züchten, sie sind das Waldgold, wenn sie eidotterfarben und wie Frühjahrsblumen den Boden unter den Bäumen sprengseln. In Osteuropa oder auch in Skandinavien lässt sich das noch beobachten.

Und zu ihrer Wildheit gehört auch, dass sie es dem Koch nicht ganz so leicht machen. Denn während es kaum Aufwand ist, Champignons, Steinpilze oder auch Seitlinge zu putzen, meist reicht es, die wenigen Stückchen Erde mit Küchenpapier abzuwischen, stellen sich Pfifferlinge an. Da klemmen noch Fichtennadeln zwischen den feinen Lamellen, und der Grind setzt sich vorzugsweise in den Tiefen der Schirme ab, dort, wo kein Fingernagel hinkommt und auch kein Pinsel, der so dick wäre, dass er etwas ausrichten könnte. Man würde es gerne, aber Pilze zu waschen, das ist verboten. Total verboten. Warum, lernt man spätestens, wenn Pilze in der Pfanne liegen und das Wasser, das sie aufgesogen haben, wieder abgeben. Nicht von ungefähr nennt der Bayer sie Schwammerl. Ich habe dem Verbot nur einmal zuwidergehandelt und beobachten müssen, wie Pilze sich in matschige Gestalten verwandelten, die schmeckten wie aus der Dose.

Bei Pfifferlingen allerdings gibt es eine Ausnahme. Sie lassen sich waschen, aber unter einer Bedingung. Man rührt ein, zwei Esslöffel Mehl ins Wasser, kurz bevor man die Pilze hinzugibt. Das Mehl wirkt erstens wie Schmirgelpapier und scheint zweitens, die feinen Poren der Pfifferlinge zu verstopfen. Sie saugen sich nicht so stark voll. Trotzdem sollte das Bad möglichst kurz sein. Ich wirbele die Pilze nur ein paar Sekunden durchs Wasser und habe vorher schon die sauberen Exemplare aussortiert. Der Trick funktioniert. Nur sollte man die Pilze vorher nicht geschnitten haben. Gegen den Schwammeffekt ist auch das Mehl hilflos.

So zart man die Pilze vorher behandeln sollte, am Herd ist es mit der Vorsicht vorbei. Ich brate Pfifferlinge in einer knallheißen Pfanne an, bis sie braun sind und knackig. Es ist dabei ganz egal, ob ich sie für ein Risotto vorgesehen habe, eine Pilzsauce oder ob sie nur in ein Omelette geklappt werden sollen. Die leichte Pfeffrigkeit, die ihnen den Namen gegeben hat, kommt so am besten raus. Dann fragt man sich doch, ob tatsächlich nie jemand ein Königreich für ein paar Pfifferlinge eingetauscht hat.

Foto: trupastilla