Ouvertüre mit Safran

Wenn mir ein Gericht schiefgeht, dann merke ich oft: Es war schon von Anfang an alles falsch. Ich habe die Einkäufe nicht ausgepackt, die Zutaten aus den verschiedenen Tüten herausgerissen, war einfach nicht bei der Sache, und als es daran ging, die Nudelsoße zu probieren, habe ich noch nebenbei telefoniert und mir prompt die Zunge verbrannt. Und jetzt schmecke ich gar nichts mehr.

Safran zerbröseln, heißes Wasser drauf
Ach was, die Farbe. Da ist der Geruch, der aufsteigt

Man muss sich manchmal in den richtigen Mood versetzen, es mit dem Kochen langsam angehen lassen, auch wenn man in einer Stunde im Kino verabredet ist: Sonst kann so viel schiefgehen, dass es besser gewesen wäre, man hätte sich einfach ein paar gute Butterbrote geschmiert.

Im Alltag beginnt das Kochen in vielen Fällen mit ein oder zwei Zwiebeln. Kaum eine Nudelsoße kommt ohne aus. Auch ein Risotto verlangt ein sogenanntes Sofritto. Dafür müssen mindestens Zwiebeln und Knoblauch geschält und gehackt werden. Ich schätze, fast die Hälfte all meiner Rezepte beginnen damit, dass ich eine Gemüsezwiebel zur Hand nehmen muss. In den ersten Minuten mit tränenden Augen am Herd zu stehen: Ich kann mir was Besseres vorstellen. Glücklicherweise bin ich in puncto Zwiebeln inzwischen etwas abgehärtet. Aber ein wirklich schöner Auftakt sieht anders aus.

Um Muße zu finden, lege ich vor dem Kochen manchmal gute Musik auf oder schenke mir ein Küchenbier ein. Ganz selten versammele ich auf dem Küchentisch sämtliche Zutaten, die in der nächsten Stunde zum Einsatz kommen werden. Vor allem bei komplexen Rezepten, die man das erste Mal kocht, empfiehlt sich das aber. Auch sich endlich mal wieder mit Messer und Wetzstahl zu beschäftigen, ist ein guter Warmmacher. Für mich ist derzeit der Der wunderbarste Einstieg ins Kochen, wenn ich einige Fäden Safran mit einem winzigen Schuss Wasser aufbrühen darf. Ich nutze jede Gelegenheit dazu.

Safran steckt bei mir in diesen Papierumschlägen von der Größe einer Briefmarke. Das ist eine Verpackung, so klein, dass man von selbst ganz vorsichtig mit ihr umgeht und die rot-goldenen Pretiosen mit spitzen Fingern, sehr behutsam und am besten die Luft anhaltend aus dem Papier nimmt. Wie ein etwas stärkerer Schnaufer die ganze Pracht auf den Fußboden und vor die wässrige Schnauze meines Katers geweht hat, davon kann ich mehrere Geschichten erzählen. Ich atme erst aus, wenn die feinen, getrockneten Griffel des Safran-Krokusses sicher in der Keramik liegen und vorsichtig mit heißem Wasser benetzt sind. In Sekunden färbt sich die Flüssigkeit orangerot und ein Duft steigt mir in die Nase, blumig-sinnlich, orientalisch-süß – ein Wohlgeruch, der bis zum Essen nicht vergehen soll.

Safran macht den Kuchen gehl, heißt es in „Backe, backe Kuchen“. Wegen der Zeile aus dem alten Kinderlied haben wir gelernt, welche Farbkraft der Blütenextrakt hat. Aber sie verbirgt, welch starkes Aroma Safran eigentlich liefert. Ich füge nur ein hundertstel Gramm zu einer Soße aus einer kleinen Dose Tomaten hinzu und der Effekt ist gewaltig. Die starke salzige Fruchtigkeit ist von Eleganz durchwebt. Und wenn Safran das bei geschmacksintensiven, konzentrierten Tomaten schafft, dann hat er sonst noch leichteres Spiel.

Es ist ein harmonisierendes Gewürz, ganz ähnlich wie Vanille. Nicht nur bei mediterranen oder orientalischen Gerichten kommt Safran deswegen bei mir zum Einsatz, obwohl er hier natürlich seinen Stammsitz hat – als edle Zutat im Risotto oder in der Paella. Aber genauso können die getrockneten Blütenfäden eine Aprikosen-Marmelade verfeinern. Sogar in einer Marinade für ein Hühnchen hat das Gewürz Wirkung. Bei einem Fischfilet, das auf der Hautseite kurz in Safranmehl gewälzt wurde, will man sich nach dem Braten jeden Tropfen Zitrone sparen, um das Aroma zu bewahren.

Zur Zeit ist es so: Sogar wenn ich eine Schweinshaxe zubereite und Safran nicht als Zutat verwende, will ich diese anfängliche olfaktorische und feinmotorische Mediation machen, um in die richtige Stimmung zu kommen. Aber dafür sind meine Safranbestände leider zu begrenzt.

Foto: hepp | CC